Absturz von Egypt Air MS804:Welche Indizien für einen Terroranschlag sprechen - und welche dagegen

Lesezeit: 3 min

Das ägyptische Verteidigungsministerium veröffentlicht Bilder von der Suche nach der abgestürzten Egypt-Air-Maschine. (Foto: AFP)

Die Ermittler sammeln immer mehr Informationen, doch noch bleibt die Ursache für den Absturz der Egypt-Air-Maschine MS804 rätselhaft. Offenbar hat die Bordelektronik Rauch registriert.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Das Mittelmeer glänzt golden in der Abendsonne, die grau lackierte Fregatte Taba pflügt durch die recht ruhige See, ein Militärflugzeug im Tiefflug, durch die Cockpitfenster sind die Wellen zu erkennen. Es sind Bilder, die Ägyptens Armee von der Suchaktion nach dem verschollenen Flug Egypt Air MS 804 veröffentlicht hat.

Am Freitagmorgen wurden sie fündig. Wrackteile des seit Donnerstagmorgen vermissten Airbus A-320, zwei Sitze und Koffer wurden im Wasser gefunden, 290 Kilometer von der Hafenstadt Alexandria entfernt, teilte der Sprecher des ägyptischen Militärs mit; später offenbar auch Leichenteile. Alle 66 Menschen an Bord sind mutmaßlich tot. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach den Angehörigen sein Beileid aus.

Damit war auch die Verwirrung beendet, die am Vorabend entstanden war, als griechische Behörden den Fund von Trümmern und Schwimmwesten gemeldet hatten, bei näherer Untersuchung aber feststellten, dass diese nicht zu der Unglücksmaschine gehörten.

Ursache des Absturzes weiter unklar

Mysteriös blieb weiter der Grund für den Absturz. Der US-Sender CNN berichtete am Freitagabend von Rauch, den die Bordelektronik registriert haben soll. Er berief sich dabei auf Daten einer ägyptischen Quelle. Zuvor hatte Frankreichs Außenminister Jean Marc Ayrault vor Spekulationen gewarnt. Es gebe "keine Indizien hinsichtlich der Ursache". Athanassios Binis, Chef der griechischen Behörde für Flugunfalluntersuchung und Flugsicherheit, hatte dagegen gesagt, nach "allen Daten, die wir bislang haben, ist es schwierig sich vorzustellen, dass es ein technischer Fehler war".

Selbst wenn beide Triebwerke ausgefallen wären, hätte die Maschine unter normalen Umständen im Gleitflug noch eine längere Strecke zurückgelegt. Doch das Wrack wurde offenbar nahe der Stelle gefunden, an der die Fluglotsen sie vom Radar verschwinden sahen.

Egypt Air MS804
:So läuft die mühsame Suche nach der Absturzursache

Die ersten Trümmer der Egypt Air Maschine sind entdeckt. Ein besonders großes Puzzleteil muss aber noch gefunden werden.

Von Felicitas Kock

Ägyptens Luftfahrtminister Sherif Fathy hatte am Donnerstag gesagt, wenn man die Situation analysiere, sei ein terroristischer Hintergrund "eher wahrscheinlich" als eine technische Ursache.

Der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, sagte, dass "aller Wahrscheinlichkeit nach" ein Anschlag den Absturz verursacht habe. Bis Freitagabend gab es allerdings keine Bekenner-Erklärung, wie bei Attentaten der Terrormiliz Islamischer Staat und anderer islamistischer Terror-Organisationen üblich.

Geheimdienste registrierten zudem keinen verdächtigen Anstieg der Kommunikation dschihadistischer Kreise, wie sie ihn oft im Zusammenhang mit spektakulären Attacken beobachten. Auch fingen US-Satelliten keine Hinweise auf eine Explosion in der fraglichen Gegend auf, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.

Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte allerdings in den vergangenen Wochen eine Propagandaoffensive gestartet, in deren Mittelpunkt ihr Ableger auf der Sinai-Halbinsel stand. Er wird für eine Reihe schwerer Anschläge in Ägypten verantwortlich ist, darunter die Bombenattacke auf einen russischen Ferienflieger über dem Sinai Ende Oktober 2015 mit 224 Toten. Die Drohungen in den Videos richten sich allerdings überwiegend gegen Israel und sollen offenbar Ägypter rekrutieren.

Aufschluss geben wird möglicherweise erst die genaue Untersuchung des Wracks; dabei würden etwa Spuren von Sprengstoff mit großer Sicherheit gefunden werden. Allerdings kann es Wochen oder Monate dauern, bis die Überreste der Maschine geborgen werden können.

Die Suchmannschaften konzentrierten sich darauf, die Flugschreiber und Stimmenrekorder zu finden, die ebenfalls wichtige Informationen zu der Absturzursache liefern könnten. Die Geräte sind mit einem Peilsender ausgestattet.

Die Reichweite beträgt allerdings nur etwa zehn Kilometer, sodass zunächst die Fundstelle weiter eingegrenzt werden muss. Strömungen im Meer und der Wind können schwimmende Wrackteile binnen Stunden um etliche Kilometer abtreiben lassen.

Der Crew war es vor dem Absturz nicht mehr gelungen, einen Notruf abzusetzen. Kurz bevor die Maschine vom Radar verschwand wich sie von ihrem schnurgeraden Kurs ab und flog zunächst eine scharfe Linkskurve. Dann drehte sie nach rechts und flog einen Kreis, zugleich stürzte sie von 11 275 Metern Flughöhe auf 4500 Meter.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass ein schlagartiges, katastrophales Ereignis eingetreten sein muss und die Piloten dadurch die Kontrolle über die Maschine verloren haben. Auch ein Vorfall im Cockpit gilt als eine mögliche Erklärung, etwa der Versuch, das Flugzeug zu entführen.

Ebenso ist ein Selbstmord eines Piloten nicht auszuschließen. 1999 hatte ein Pilot der Egypt Air ein Flugzeug mit 217 Menschen an Bord in den Atlantik gestürzt.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Absturz im Mittelmeer
:Sturzflug ins Nichts: das Rätsel um Flug MS804

Welche Umstände dafür sprechen, dass ein Terroranschlag den Flug der Egypt Air zum Absturz brachte.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo und Christian Wernicke, Paris

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: