Egypt Air MS804:So läuft die mühsame Suche nach der Absturzursache

Search operation for missing EgyptAir MS804 flight

Die ägytische Armee sucht nach dem vermissten Flugzeug.

(Foto: dpa)

Die ersten Trümmer der Egypt Air Maschine sind entdeckt. Ein besonders großes Puzzleteil muss aber noch gefunden werden.

Von Felicitas Kock

Die traurigen Beweise der Katastrophe treiben im Mittelmeer, etwa 290 Kilometer vor der ägyptischen Küste: Flugzeugtrümmer und persönliche Gegenstände der Passagiere seien gefunden worden, meldet das ägyptische Militär. Die seit Donnerstag, 2.30 Uhr, vermisste Maschine der Egypt Air ist mit 66 Menschen an Bord abgestürzt - das ist damit endgültig bestätigt. Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist dagegen noch unklar.

Der französische Präsident wollte am Donnerstagnachmittag keine Hypothese ausschließen, als er sich zum ersten Mal nach dem Unglück an die Öffentlichkeit wandte. Ägyptens Verkehrsminister ließ sich zwei Stunden später zu der Aussage hinreißen, er halte einen Terroranschlag für wahrscheinlicher als einen technischen Defekt. Auch der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB war schnell mit seinem Statement, es handele sich "allem Anschein nach" um einen Terrorakt.

Menschen, die sich hauptberuflich mit der Untersuchung von Flugabstürzen befassen, halten sich deutlich bedeckter. "Es ist wie das Zusammensetzen ein Puzzles", sagt ein Experte aus dem Bundesamt für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig, der nicht namentlich genannt werden will und wie üblich keine aktuellen Vorfälle kommentiert. Selten könne man von einem Detail allein auf die Unglücksursache schließen.

Eines dieser Puzzleteile ist im Fall der Egypt-Air-Maschine das unübliche Taumeln vor dem Crash. Der Airbus hatte nach Angaben des griechischen Verteidigungsministers eine 90-Grad-Drehung nach links vollzogen, sich dann um 360 Grad nach rechts gedreht und massiv an Höhe verloren. Das könnte auf einen Zwischenfall im Cockpit hindeuten, aber auch auf einen schwerwiegenden Schaden am Flugzeug, der wiederum von einer Bombe verursacht worden sein könnte.

Der ausgebliebene Notruf ist ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt zur Aufklärung. Wenn es einen technischen Defekt oder ein anderes Problem an Bord gibt, geben die Piloten normalerweise einen Funkspruch ab. Dass sie es nicht getan haben, deutet wohl darauf hin, dass etwas passiert ist, was sofort katastrophale Auswirkungen hatte. Es könnte eine Explosion gegeben haben. Es könnte aber genauso gut sein, dass die Piloten abgehalten wurden, bewusstlos waren oder wegen eines akuten technischen Problems keine Zeit mehr für den Notruf hatten. Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass das Flugzeug bewusst zum Absturz gebracht wurde

Auch die gefundenen Flugzeugtrümmer bringen Erkenntnisse: Wo und in welcher Anordnung werden Teile gefunden, wie liegen sie im Gelände? Aus diesen Informationen lässt sich - jedenfalls bei Abstürzen über dem Festland - der Aufschlagswinkel ableiten. Daraus können die Ermittler wiederum Schlüsse darüber ziehen, was in der Luft passiert ist. Wenn sich ein Flugzeug beim Absturz um sich selbst gedreht hat, gräbt es sich etwa bei weichem Untergrund noch mehrere Meter tief in den Boden. Die Rotation in der Luft könnte zum Beispiel durch eine abgebrochene Tragfläche zustande gekommen sein. Wurde das Flugzeug durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht, finden sich an den Trümmern Schmauchspuren.

Und dann sind da noch die beiden Black Boxes:

  • Der Flugdatenschreiber (FDR) zeichnet bis zu 2200 Parameter auf. Dazu gehören die Zeit, die Geschwindigkeit des Flugzeugs, die Richtung, der Treibstofffluss oder Außendruck und Flughöhe. Auch die Position des Steuerknüppels, der Ruderpedale, des Fahrwerks und der Landeklappen sowie die vertikale Beschleunigung der Maschine werden erfasst. Aus dem FDR lässt sich also später zum Beispiel auslesen, ob das Flugzeug vor dem Absturz in Schieflage geraten ist oder ob die Triebwerke abgeschaltet wurden.
  • Der Stimmenrekorder zeichnet die Geräusche im Cockpit und die Kommunikation etwa mit den Fluglotsen auf. Bei der Auswertung können Funksprüche genauso nachvollzogen werden wie die Reaktion der Piloten auf unvorhergesehene Ereignisse. Halten sie sich an den Ablaufplan für einen bestimmten Vorfall? Die Auswertung des Stimmenrekorders brachte etwa beim Absturz der Germanwings-Maschine die Erkenntnis, dass der Co-Pilot das Flugzeug absichtlich gegen einen Berg gesteuert hatte. Zu hören waren damals unter anderem sein Atmen sowie die Versuche des Piloten, ins Cockpit zu gelangen und den Crash zu verhindern.

Die Black Boxes bezeichnet der Experte als ein "großes unter vielen Puzzleteilen". Kommen sie mit Wasser in Berührung, gibt ein Sender für 30 Tage Signale ab. Danach wird es bedeutend schwieriger, die Flugschreiber zu finden.

"Am Ende lässt sich die Ursache immer feststellen"

Anhand der zur Verfügung stehenden Daten stellen die Experten erste Theorien darüber auf, was passiert sein könnte. Dann wird überprüft, wie die einzelnen Puzzleteile zueinander passen. Lässt der Aufschlagswinkel die Annahme zu, dass eine Tragfläche in der Luft abgerissen ist, wird also überprüft, ob es an den einzelnen Trümmern Bruchkanten gibt, die diese Theorie unterstützen, ob die Black-Box-Daten dazupassen und so weiter.

"Am Ende lässt sich die Ursache eines Absturzes immer feststellen", sagt der Experte vom BFU in Braunschweig. Ob sich dann tatsächlich alles so abgespielt hat, wie die Ermittler in ihrer Rekonstruktion der Ereignisse annehmen - oder ob doch etwas an Bord passiert ist, das sich in keinem Flugdatenschreiber, keinem Rekorder und an keinem Trümmerteil zeigt, sei aber eine "philosophische Frage".

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