Abhörskandal in Großbritannien:Methode Murdoch

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Immer mehr namhafte Opfer und Details der Abhörmethoden von Murdochs Boulevardblättern werden bekannt. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein und auch die Politik gerät in den Sog der Affäre.

Wolfgang Jaschensky

Die neuesten Namen in Großbritanniens größtem Presseskandal sind die von Sir Alex Fergueson, Alan Shearer und Arsène Wenger. Namen, die für den englischen Fußball die Bedeutung haben von Franz Beckenbauer, Matthias Sammer und Ottmar Hitzfeld in Deutschland.

Ehrgeiziger, kauziger Zeitungserbe aus Australien: Rupert Murdoch (Foto: Foto: Reuters)

Es sind drei neue Namen auf einer langen Liste, die bereits Namen von Schauspielern wie Jude Law und Gwyneth Paltrow verzeichnet, von Musikern wie George Michael und Politikern wie Vizepremier John Prescott. Es sind drei neue Namen, die für einen Skandal stehen, der das Königreich aufrührt.

Nur wenige Wochen nach dem Bekanntwerden der Spesen-Affäre, die zum Rücktritt von Ministern und des Speakers im Unterhaus führte, hat das Land den nächsten Großskandal - und wieder ist die Politik involviert.

Verwickelt sind zwei britische Zeitungen aus dem Reich des Medienmoguls Rupert Murdoch: Sie sollen über mehrere Jahre hinweg mehr als 3000 Prominente systematisch abgehört haben. Murdoch, das ist jener ehrgeizige, kauzige Zeitungserbe aus Australien, der überall in der Welt investiert hat, erst in Großbritannien, dann in den USA, schließlich in Asien. In München ist er Großaktionär am Pay-TV-Sender Sky.

Er lebt heute in New York, wo seine Neuerwerbung Wall Street Journal sitzt, das Jagd auf die New York Times macht. Murdoch ist immer ein politischer Verleger gewesen, prononciert konservativ, der in England als Hasser der BBC und der Royal Family aufgefallen ist.

Nun schaltet sich die Staatsanwaltschaft in den Fall ein, kündigte Oberstaatsanwalt Keir Starmer an. Am Donnerstag hatte bereits Londons oberster Polizeichef Paul Stephenson Ermittlungen gegen Murdochs News of the World angeordnet. Auch der Medienausschuss des Unterhauses leitete eine Untersuchung ein.

Gleichzeitig erwägen jetzt offenbar mehrere Prominente Klage einzureichen, sagte der Medienanwalt Mark Stephens. Er selbst habe am Freitag bereits zwei Anrufe erhalten: Ein Anruf sei von einer Person gekommen, die der Guardian als Abhör-Opfer identifiziert hatte, ein anderer von einer jemanden, der nur befürchtet, bespitzelt worden zu sein.

Die betroffene Sonntagszeitung gehört zur News Group Murdochs. Reporter der News of the World und der Sun, des auflagenstarken täglichen Boulevardblatts aus dem Murdoch-Reich, sollen Privatdetektive angeheuert haben, um gezielt Telefongespräche von Prominenten abzuhören.

Das berichtet der Guardian. Er hat mit seinen Recherchen den Skandal aufgedeckt, unter Berufung auf einen anonymen Informanten bei Scotland Yard. Möglicherweise gelangten die Reporter an die Informationen, weil die Prominenten die voreingestellten Geheimnummern zum Abhören der Mobilboxen nicht geändert hatten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Murdochs Verlag versucht hat, den Skandal zu vertuschen.

Doch damit nicht genug: Murdochs Medienunternehmen zahlte nach Angaben des Guardian an einige Betroffene insgesamt etwa eine Million Pfund (1,15 Millionen Euro) Schadenersatz, um ein Gerichtsverfahren abzuwenden.

Für den Medienriesen News Corporation sind solche Summen scheinbar Peanuts, obwohl das Imperium zuletzt Verluste in Milliardenhöhe ausweisen musste.

Unangenehme Fragen muss sich allerdings nicht nur Murdochs Verlag gefallen lassen - sondern auch Scotland Yard. Der Londoner Polizei waren die illegalen Methoden offenbar bekannt.

Hintergrund der Enthüllungen ist der Fall eines News-of-the-World-Reporters: Clive Goodman war bereits im Januar 2007 zu vier Monaten Haft verurteilt worden, weil er mehr als 600 Handy-Nachrichten von drei engen Mitarbeitern der Prinzen William und Harry geknackt hatte. Der auf die Königsfamilie spezialisierte Reporter nahm seine Recherchemethoden damals aber auf seine Kappe. Murdochs Verlag, der stets versicherte, nichts von den Praktiken gewusst zu haben, war mit einem blauen Auge davongekommen.

Eine zweite Chance

Erst jetzt kommt ans Licht, dass hinter den Praktiken offenbar Methode steckte - auch mit Wissen des Verlages. Der in dem Fall ebenfalls zu einer Gefängnisstrafe verurteilte Privatdetektiv Glenn Mulcaire hatte gestanden, die Mobiltelefone von fünf anderen Prominenten abgehört zu haben. Unter den Opfern war der Chef der Fußballergewerkschaft, Gordon Taylor. Dieser habe, berichtet der Guardian, daraufhin das Verfahren angestrengt, das der Murdoch-Verlag mit der Millionenzahlung geheim halten wollte.

Der im Strudel der Spesen-Affäre schwergebeutelte Premier Gordon Brown sagte, der Fall werfe "zahlreiche Fragen" auf, die dringend geklärt werden müssten. Brown, derzeit beim G-8-Gipfel in Italien auf der großen Bühne unterwegs, kann hoffen, dass der Skandal ihm aus zweierlei Gründen nützt: Erstens weil es die öffentliche Aufmerksamkeit und Entrüstung weiter vom Spesenskandal abbringt - und zweitens weil es seinem wichtigsten politischen Gegner schaden könnte.

Denn der Sprecher von Oppositionschef David Cameron, Andy Coulson, war einst Chefredakteur von News of the World - und musste wegen des Falles Clive Goodman seinen Stuhl räumen.

Inzwischen werden immer mehr Stimmen laut, die den Rücktritt Coulsons fordern. Cameron betonte allerdings, dessen Job sei nicht in Gefahr. Er glaube daran, dass jeder eine zweite Chance verdiene.

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