Zuverdienst von Abgeordneten:Mein Nebenjob

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Ihre erste und wichtigste Arbeitsstätte haben Parlamentarier eigentlich in der Politik: Blick in den Plenarsaal im Deutschen Bundestag. (Foto: Kira Hofmann/DPA)

Die Skandale um Nebeneinkünfte von Parlamentariern provozieren Rufe nach schärferen Regeln. Doch was sagen Politiker selbst zu ihren Zuverdiensten? Die SZ hat einige befragt.

Von Simon Groß, Berlin

Erst der Skandal um die Masken, nun noch die Aserbaidschan-Affäre: Womit Abgeordnete nebenher Geld verdienen, interessiert die Öffentlichkeit gerade sehr. Dabei sind Nebenverdienste nicht grundsätzlich verboten. Brisant wird es, wenn zwischen politischer Arbeit und persönlichen Ambitionen Interessenkonflikte entstehen - etwa wenn ein Abgeordneter sein Mandat dazu missbraucht, sich einen materiellen Vorteil zu verschaffen.

Eben das wird den ehemaligen Unionsabgeordneten Georg Nüßlein und Nikolas Löbel vorgeworfen, sie sollen für die Vermittlung von Masken überaus stattliche Provisionen kassiert haben. Das wirft die Frage auf: Reichen die Regeln, nach denen Abgeordnete Nebeneinkünfte offenlegen müssen, aus?

Léa Briand, Sprecherin der Internetplattform Abgeordnetenwatch, die sich für mehr Transparenz in der Politik einsetzt, hat dazu eine klare Meinung: "Abgeordnete sollten ihre Nebeneinkünfte auf Euro und Cent genau angeben müssen." Bisher ist das nicht der Fall. Die Abgeordneten geben ihre Nebeneinkünfte nur in Stufen an. Stufe eins gilt für regelmäßige oder einmalige Einkünfte zwischen 1000 und 3500 Euro. Auf Stufe acht geht es dann schon um Beträge zwischen 100 000 und 150 000 Euro. Bei Stufe zehn sind es 250 000 Euro und mehr. Je höher die Stufe, desto größer die Spanne - und desto ungenauer die Erkenntnis über Einkünfte.

Zwar kann jeder in den Abgeordneten-Biografien auf der Website des Bundestags die Angaben über Nebeneinkünfte nachlesen, deren genaue Höhe erschließt sich dem Laien aber nur schwer. Einmal im Jahr errechnen Abgeordnetenwatch und der Spiegel die Einkünfte seit Beginn der laufenden Legislaturperiode und ziehen dafür die Untergrenzen der Einkommensstufen heran - es handelt sich also um Mindestangaben. "Dass wir dafür Monate brauchen, zeigt schon, wie komplex das Ganze ist, und dass wir eigentlich mehr Transparenz bräuchten", sagt Briand.

Jeder zweite CSU-Abgeordnete verdient dazu

Die jüngsten Ergebnisse stammen vom August 2020. Sie zeigen: Der Anteil der Abgeordneten mit Nebenverdienst variiert je nach Partei. Auf Platz eins liegt die FDP (53 Prozent), gefolgt von CSU (50), CDU (36), AfD (24), und SPD (23). Am kleinsten ist der Prozentsatz bei Linke (19) und Grünen (13).

Auch die Höhe der Nebeneinkünfte differiert. Besonders hoch erscheinen sie oft bei Freiberuflern, die ihre Bruttoumsätze angeben müssen, nicht ihre Gewinne. Einige Abgeordnete betonten, ihr Nettoverdienst nach Abzug von Steuern, Personal- oder Sachkosten falle deutlich niedriger aus, sagt Briand. Sie plädiert dafür, grundsätzlich den Nettoverdienst auszuweisen, das zeige, "dass mehr Transparenz nicht unbedingt zu Lasten der Abgeordneten gehen muss".

Davon profitieren könnte auch der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Seine Nebeneinkünfte aus Beratungstätigkeiten und Posten in Unternehmensgremien beliefen sich in der aktuellen Legislaturperiode bis Ende Juli 2020 auf 896 000 Euro. Er könne die Zahl nicht nachvollziehen, schreibt Ramsauer auf Anfrage, mit seinem Nettoeinkommen habe sie nichts zu tun. Im Mittelpunkt stünde seine Abgeordnetentätigkeit, "was ich darüber hinaus im privaten Bereich mache, ob Berg steigen, Klavier üben oder freiberufliche oder Unternehmertätigkeit, ist meine reine Privatsache, solange dies nicht meinem Mandat und dessen Ausübung in irgendeiner Weise entgegensteht", so Ramsauer. Mögliche Interessenkonflikte weist er von sich.

Das tut auch Gregor Gysi. Der langjährige Fraktionsvorsitzende der Linken kam im gleichen Zeitraum auf eine Summe von 470 000 Euro. Weil er das Geld im Wesentlichen mit seiner Autobiografie und damit verbundenen Veranstaltungen verdient habe, sehe er keinen Anlass, seine Einkünfte zu reduzieren, schreibt Gysi auf Anfrage. Es handele sich schließlich nicht um wiederkehrende Einkünfte. Zusätzliche Einnahmen erhält Gysi durch zahlreiche Vorträge, zudem ist er als Rechtsanwalt tätig.

Und Gysi ordnet die Zahlen ein. Von den Bruttoeinkünften blieben nur etwas mehr als die Hälfte netto, spenden würde er ohnehin schon - 140 000 Euro in der laufenden Legislaturperiode bis vergangenen August. Er spende für seine Partei in Bund und Land und für Initiativen wie jene, die sich für eine faire Behandlung von Julian Assange einsetzt. Hinzu kämen Veranstalter, die sein Honorar spendeten.

Christian Lindner hält gern honorierte Reden

Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die für ihre Posten in Unternehmensgremien im gleichen Zeitraum 207 500 Euro erhalten haben soll, schreibt auf Anfrage lediglich, ihre Einkünfte seien ordnungsgemäß gemeldet und regelgemäß veröffentlicht worden. Fragen zu künftigen Einnahmen, zu Spenden oder möglichen Interessenkonflikten ließ die SPD-Politikerin unbeantwortet.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hält gern Reden, sie brachten ihm im genannten Zeitraum 424 500 Euro ein. Lindner beziehe Honorare für öffentliche Vorträge vor teils internationalem Publikum, teilt sein Pressesprecher schriftlich mit. Das Publikum, vor dem er spricht, ist oft exklusiv. Meist tritt er vor Unternehmen, Banken und Versicherern auf, das eine oder andere "Business Dinner" ist dabei. Die aktuellen Verfehlungen von Geschäftemachern im Bundestag seien für Lindner kein Anlass, um an dieser völlig legalen Praxis irgendetwas zu verändern, heißt es in der Antwort. Immerhin spendet Lindner schon mal einen ordentlichen Betrag. 2018 überwies er mehr als 50 000 Euro an die FDP.

Dass Abgeordnete überhaupt Nebeneinkünfte erzielen, kritisiert Abgeordnetenwatch nicht. Die Initiative fordert aber mehr Nachvollziehbarkeit: Unternehmensbeteiligungen ab fünf Prozent, Aktienoptionen und andere Vermögenswerte müssten offengelegt und Vertragspartner benannt werden. "Abgeordnete sollten kein Geschäft machen, bei dem es nötig ist, den Geschäftspartner zu verschleiern", sagt Léa Brian. Zudem spricht sich Abgeordnetenwatch dafür aus, Parlamentariern die Lobbyarbeit zu verbieten.

Die nächsten Zahlen zu den Nebeneinkünften der Volksvertreter sollen im Sommer erscheinen, noch vor der Bundestagswahl.

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