"Anschluss" im März 1938:Wie Österreich den Nazi-Einmarsch feierte

Jubelnde Menschenmassen statt Widerstand: Im März 1938 marschierten Hitlers Truppen in Österreich ein. Der "Anschluss" in Bildern.

Von Kai Thomas

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(Foto: Hubertus Kanus)

Heute spazieren an der zentralen Stelle vor der Wiener Hofburg Touristen. Doch lange war der Heldenplatz vor dem Palast vor allem mit einem Ereignis verknüpft: Am 12. März 1938 - marschierte die Wehrmacht ohne Gegenwehr in Österreich ein. Kurz danach feierten große Teile der Bevölkerung den "Anschluss". Ein Rückblick in Bildern.

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(Foto: SZ Photo)

Drei Tage nach dem Einmarsch steht Adolf Hitler auf dem Balkon der Hofburg in Wien und lässt sich von einer Viertelmillion jubelnder Menschen feiern. In Volksabstimmungen in Deutschland und Österreich votieren am 10. April laut Nazi-Propaganda mehr als 99 Prozent für den "Anschluss".

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(Foto: SCHERL)

Experten streiten, ob die Nazi-Zeit in Österreich nach Jahrzehnten des Schweigens aufgearbeitet ist. Bis heute besitzt deutsch-nationales Gedankengut einen festen Platz im Bewusstsein der Österreicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage der Tageszeitung Der Standard. Fast die Hälfte der Österreicher stimmt demnach der Aussage zu "Unter Hitler war nicht alles schlecht". Mehr als die Hälfte der 502 Befragten würden der NSDAP Chancen bei freien Wahlen einräumen. 61 Prozent wünschen sich einen starken Mann an der Spitze des Staates.

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(Foto: AFP)

Die NS-Verbrechen waren in Österreich jahrzehntelang weder in Schulen noch in der Öffentlichkeit ein Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete sich das Land offiziell als "erstes Opfer der Nationalsozialisten".

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(Foto: Getty Images)

Zumindest diese Geschichtsdeutung ist 75 Jahre nach dem "Anschluss" an das Deutsche Reich passé. "Es gibt ein sehr selbstkritisches Geschichtsbewusstsein", sagt der Historiker Oliver Rathkolb von der Universität Wien im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die von Bundespräsident Kurt Waldheim angestoßene Debatte über die NS-Vergangenheit habe in den neunziger Jahren den Wandel gebracht. Auch wissenschaftlich sei das Thema aufgearbeitet, so Rathkolb.

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(Foto: AFP)

Der Blick zurück in die Österreichs Geschichte lohnt, um die Gründe für den widerstandslosen Einmarsch der Nazis zu verstehen. Denn schon Jahre vor dem "Anschluss" zeigen sich die Österreicher von einer "Heimkehr ins Reich" begeistert. Bei Volksabstimmungen im Jahr 1921 in Tirol und Salzburg votiert eine überwältigende Mehrheit dafür. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs hatten der Republik Österreich zuvor einen "Anschluss" verboten. Im Bild: Passanten begrüßen einen deutschen Soldaten in Wien.

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(Foto: AFP)

Auch in Deutschland gärt der Wunsch nach einem großdeutschen Reich. Bereits 1925 findet sich die staatliche Einverleibung Österreichs als wichtiger Programmpunkt in Hitlers Pamphlet "Mein Kampf".

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(Foto: AFP)

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1933 wird die Schwesterpartei in der Alpenrepublik verboten. Doch ihr Machtwille ist ungebremst. Am 25. Juli 1934 unternehmen die österreichischen Nationalsozialen einen Putschversuch. Dabei wird der autoritäre Bundeskanzler Engelbert Dollfuß erschossen. Sein Nachfolger, Kurt Schuschnigg, stellt sich gegen einen "Anschluss".

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(Foto: Getty Images)

Im Juliabkommen vom 11. Juli 1936 respektiert Deutschland zunächst die Souveränität des Nachbarlandes. Österreich muss aber Nationalsozialisten in seine Regierung aufnehmen. Am 12. Februar 1938 versucht Hitler dann auf seiner Residenz Berghof bei Schuschnigg die Ernennung seines Vertrauten Arthur Seyß-Inquart zum Innen- und Polizeiminister zu erpressen. Auch die Zulassung der österreichischen Nationalsozialisten als Partei wollte Hitler wieder erlauben. Im Bild: Frauen in Salzburg feiern den "Anschluss" Österreichs.

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(Foto: AFP)

Nach Hitlers Drohung einzumarschieren, tritt Schuschnigg schließlich am 11. März 1938 zurück. Den Plan einer Volksbefragung über Österreichs Unabhängigkeit musste er aufgeben. Der Nationalsozialist Seyß-Inquart übernimmt die Kanzlerschaft für drei Tage. Nach der Auflösung Österreichs und die Zerschlagung in Reichsgaue, wird Seyß-Inquart zum "Reichsstatthalter von Wien". Das Bild zeigt Adolf Hitler im März 1938 zwischen Reichskommissar Josef Bürckel (rechts) und Arthur Seyß-Inquart (links) in der Wiener Oper. Seyß-Inquart unterschreibt als und am 13. März 1938 das Gesetz, mit dem Österreich zur deutschen Provinz Ostmark wird; Bürckel war "Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich" und wurde später ebenfalls Gauleiter und Reichstatthalter von Wien.

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(Foto: obs)

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 13. März 1938 beginnt in Österreich die Judenverfolgung. Das Bild zeigt den künftigen Gauleiter von Oberdonau (Oberösterreich), August Eigruber, Adolf Hitler und Arthur Seyß-Inquart in Linz (von links).

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(Foto: AFP)

Nach dem "Anschluss" unterstützt auch die katholische Kirche die Nationalsozialisten. Demonstrativ suchen hohe Geistliche den persönlichen Kontakt zu Adolf Hitler. Unter der Führung von Theodor Innitzer, Erzbischof von Wien, sprechen Österreichs Bischöfe dem NS-Regime schriftlich Annerkennung für seine Leistungen aus und empfehlen öffentlich, dem "Anschluss" zuzustimmen. Der Erzbischof von Wien geht später in Opposition zum Nazi-Regime, hält im Oktober 1938 einen Protestgottesdienst und erteilt den NS-Rassegesetzen im Jahr 1941 in einem unveröffentlichen Hirtenbrief eine deutliche Absage. Im eigenen Haus versucht er, Juden von der Verfolgung zu retten. Das Foto zeigt allerdings nicht Innitzer, sondern den Gurker Bischof Adam Hefter. Hefter soll nicht freiwillig an einem Treffen mit Hitler teilgenommen haben. Die Nationalsozialisten verbreiteten das Bild später, um eine breite Zustimmung für den "Anschluss" in Österreichs Kirche vorzutäuschen.

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(Foto: AFP)

Der Terror der Nationalsozialisten beginnt nun auch in Österreich. Allein zwischen dem 12. und dem 22. März gibt es in der nun sogenannten Ostmark offiziell 1742 Festnahmen. Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden, beispielsweise Sigmund Freud, bleibt zur Rettung oft nur die Flucht. Jüdische Österreicher, die bleiben, werden nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ermordet. Zahlreiche NS-Schergen stammen aus der "Ostmark" wie etwa Adolf Eichmann, der den millionenfachen Mord an den Juden Europas mitorganisierte. Das Land hat die Rolle seiner Bürger in der NS-Zeit bis heute nicht so gründlich aufgearbeitet wie etwa die Bundesrepublik. Alles zu Österreich in der SZ jeden Freitag per Newsletter. Jetzt kostenlos anmelden.

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