20 Jahre Bonn-Berlin-Beschluss:Lass endlich gut sein, Bonn

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Deutschland steigt aus der Atomenergie aus, schafft die Wehrpflicht ab und und schickt Menschen in den Weltraum. Aber einen schnöden Umzug der kompletten Regierung von Bonn nach Berlin, den kriegt das Land nicht hin.

Thorsten Denkler, Berlin

Manche sagen, es sei Wolfgang Schäuble gewesen, der heute vor genau 20 Jahren praktisch im Alleingang dafür sorgte, dass Regierung und Bundestag der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland nach Berlin zogen. Das ist natürlich Quatsch. Der damalige Innenminister hatte lediglich eine Rede gehalten, die einige Zweifler überzeugt hat, dass an Berlin kein Weg vorbei führen würde.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble während seiner Rede im Bonner Bundestag am 20. Juni 1991. Er warb leidenschaftlich dafür, dass Regierung und Parlament nach Berlin ziehen. (Foto: picture-alliance / dpa)

Schäuble sagt heute selbst, wäre der Beschluss damals zugunsten von Bonn ausgegangen, hätte das den Regierungsumzug vom Rhein an die Spree auf Dauer auch nicht verhindern können. Irgendwann, eher früher als später, wäre die Zeit für Berlin gekommen.

Aber was heißt schon "zugunsten von Bonn"? Rückblickend betrachtet hätte es für das schmucke Städtchen kaum besser laufen können. Bonn hat zwar seinen Status als Bundeshauptstadt verloren. Aber heute arbeiten mehr Menschen in der Region als je zuvor. Mit Milliarden von D-Mark ist Bonn gepäppelt worden - schon bevor 1999 der Umzug anstand.

Unzählige internationale Organisationen sind seither dort angesiedelt worden. Immer wenn es eine neue Großbehörde zu gründen galt, hat Bonn den Zuschlag bekommen. Weitreichende Garantien sichern der Stadt über Jahre hinaus ministerielle Arbeitsplätze. Noch heute arbeiten 45 Prozent aller Bediensteten des Bundes in Bonn und Umgebung. Es sind Zustände, von denen andere Regionen, die mit Strukturwandel zu kämpfen haben, nur träumen können.

Und trotzdem jammern die Bonner. Besonders laut immer dann, wenn mal wieder die Frage im Raum steht, ob die tagtägliche Überlandverschickung Hunderter gutbezahlter Bundesbeamten noch Sinn ergibt.

Die direkten Kosten sind dabei eher vernachlässigbar. Etwa neun Millionen Euro kostet der Spaß die Steuerzahler Jahr für Jahr. Dafür ist die Flugstrecke Berlin-Bonn ordentlich ausgelastet. Dass aber das ständige Hin und Her Zeit und Nerven kostet, die Effizienz auf der Strecke bleibt und sich in manchen Bonner Amtsstuben, weit ab von den Berliner Entscheidungszentren, kleine, heimelige Biotope entwickelt haben, wird nicht eingerechnet.

Berlin ist Hauptstadt, Bonn Bundesstadt und Dienstsitz Tausender Beamter, die es im schönen Rheinland einfach gemütlicher finden. Darum dürfen sie dort bleiben. Das ist Bestandsschutz auf höchstem Niveau.

Im Grunde halten alle den Zustand für untragbar bis skandalös. Die Entscheidung, sämtliche Ministerien endlich vollständig nach Berlin zu verlagern, ist längst überfällig.

Das ist - zugegeben - ein sehr heißes Eisen. Jeder Politiker aus Nordrhein-Westfalen würde sich die Finger verbrennen, wenn er nicht bei jeder Gelegenheit Bonn mit lauten Solidaritätsadressen unterstützen würde. NRW ist politisch eine Bank. Von 622 Abgeordneten des Bundestages kommen 129 aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland.

So wird das Problem lieber ausgesessen. Jahr für Jahr wird der Anteil derer, die noch in Bonn arbeiten, geringer. Kurz nach dem Umzug 1999 kamen auf 60 Bonner 40 Berliner. Heute hat sich das Verhältnis auf 45 zu 55 verschoben. Das hat gut zehn Jahre gedauert. Wenn das so weitergeht, dann macht in 30 Jahren der letzte Bundesbeamte am Dienstsitz Bonn das Licht aus.

Deutschland steigt aus der Atomenergie aus, schafft die Wehrpflicht ab und und schickt Menschen in den Weltraum. Aber einen schnöden Umzug von Bonn nach Berlin, den kriegt das Land nicht hin.

In ihrer Not versuchen es einige mit kreativen Lösungen. Motto: Wer nicht andocken will, wird eben abgekoppelt. So erklärte die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries den Dienstsitz Bonn ihres Ministeriums schlicht zum Bundesamt für Justiz. Ähnliches wird wohl bald mit den Resten des Bundesministeriums für Verteidigung auf der Bonner Hardthöhe geschehen.

Das passiert alles ziemlich geräuschlos. Und damit auch unehrlich. Besser wäre es, den Bonnern zu sagen: War 'ne gute Zeit mit euch, aber alles Gute hat auch mal ein Ende. Zwanzig Jahre nach dem Berlin-Beschluss des Bundestages sollte das möglich sein.

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