Putsch in Simbabwe:Die Angst ist weg

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Friedlicher Protest in Simbabwe: Die Menschen strömen zu Zehn-, wenn nicht Hunderttausenden auf die Straßen. Sie stehen auf Autodächern, tanzen vor Lautsprechern und laufen zur Residenz des Präsidenten. (Foto: AP)

Das Volk in Simbabwe vollendet, was den Generälen nicht gelungen ist: Mugabe aus dem Amt zu jagen. Eindrücke aus der Hauptstadt Harare, zwischen Putsch und Party.

Von Bernd Dörries, Harare

Vor 37 Jahren stand Victor Pkuretu schon einmal hier auf diesem großen Platz in einem Vorort von Harare. Damals war es ein bisschen wie heute, die Menschen kamen mit Fahnen und einem Lächeln im Gesicht.

Es waren die ersten Tage eines freien Landes, die ersten des neuen Simbabwe - und die Menschen machten sich auf, um Robert Mugabe zu begrüßen, den Anführer des Unabhängigkeitskrieges, den Helden des Volkes, der gerade wieder ins Land gekommen war. Am Samstag ist das Volk wieder auf den Beinen. Diesmal, um Robert Mugabe endlich loszuwerden. Es endet, wie es begann.

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Die Stimmung auf den Straßen Simbabwes ist ausgelassen. Überall solidarisieren sich die Menschen mit dem Militär, dessen Putsch dem Land neue Hoffnung zu geben scheint.

"Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber unser Held von damals ist ein Verbrecher geworden. Er muss weg. Heute ist unser zweiter Unabhängigkeitstag, nach 37 Jahren", sagt Pkuretu. Er hat damals mit Mugabe gekämpft im Unabhängigkeitskrieg, ist dafür für viele Jahre in den Internierungslagern des weißen Regimes verschwunden. Und hat sich in den Jahren danach oft gefragt, ob sich der Kampf gelohnt hat. "Mugabe und seine Clique haben sich alles genommen. Wir sind hungrig geblieben. Ich bin jetzt 77 Jahre, ich möchte nur noch einen schönen Ort, um mich auszuruhen. Ich hoffe, die Jungen werden es besser machen."

Die Jungen strömen zu Zehn-, wenn nicht Hunderttausenden auf die Straßen. Sie stehen auf Autodächern, tanzen vor Lautsprechern und laufen zur Residenz des Präsidenten - des einzigen, den sie je erlebt haben. Die Brauerei hat Freigetränke spendiert. Die Druckerei, die viele Jahrzehnte lang die Propaganda des Mugabe-Regimes druckte, hat die Zeichen der Zeit schnell erkannt und über Nacht Tausende Poster hergestellt, auf denen das Bild des ewigen Präsidenten zu sehen ist und der Slogan: "Mugabe must go." Man sieht sie in der ganzen Stadt, die mittlerweile eine Mischung ist aus Volksfest und Demonstration. Ein Schreien, Lachen und Tanzen. Manchmal, so sieht es aus, schauen sich die Demonstranten gegenseitig an, mit einem ungläubigen Blick: Trauen wir uns das wirklich?

Sie trauen es sich, Hunderttausende füllen die Straßen. Ein paar Panzer und Mannschaftswagen des Militärs sind unterwegs. Die Soldaten werden bejubelt.

Der Militärputsch vom Mittwoch ist fast nahtlos in eine Art Revolution übergegangen. Das Volk vollendet, was den Generälen nicht gelungen ist. Mugabe aus dem Amt zu jagen. Der sitzt in seinem Privathaus, einem Monument der Dekadenz mit wohl 25 Schlafzimmern, und weiß wohl nicht so recht, was er tun soll. Das ganze Land hat sich gegen ihn gestellt, die Schleusen sind geöffnet, die Angst ist weg. Und auch diejenigen, die ihn gestern noch bejubelten, haben sich recht geschmeidig an den neuen Realitäten orientiert. Die Regierungspartei Zanu-PF, der treue Mugabewahlverein, ist über Nacht zu seinem schärfsten Kritiker geworden. Ein Regionalverband nach dem anderen fordert Mugabe zum Rücktritt auf. Am Dienstag könnte im Parlament ein Amtsenthebungsverfahren beginnen.

Und danach? Die Demonstranten tragen schon das Bild des möglichen neuen starken Mannes mit sich herum: Emmerson Mnangagwa, der Mugabe 37 Jahre lang treu zur Seite stand, bis dieser ihn vor zwei Wochen als Vize-Präsident feuerte, um Platz zu machen für seine Frau Grace. Es war der Anfang vom Ende. Der Putsch war Mnangagwas Rache.

"Unter ihm wird alles besser", rufen die Menschen. "Er ist unser Retter." Was dann doch verwundert. Letztlich hat der 75-Jährige schließlich alles mitgetragen, was Mugabe in den vergangenen 37 Jahren getan hat. Er soll an der Ermordung Tausender Oppositioneller beteiligt gewesen sein. Hoffnungsträger sehen anders aus.

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Eigentlich war Vizepräsident Mnangagwa abgesetzt. Nun ist der Mann fürs Grobe wieder im Land.

Sucht man dennoch nach ein bisschen Hoffnung, dann liegt die womöglich darin, dass Mnangagwa in seiner Heimatregion Midlands wenigstens dafür gesorgt hat, dass die Wirtschaft weniger den Bach runtergeht als im Rest des Landes.

"Er versteht wenigstens etwas von Wirtschaft", sagt Sam Shepard. Er trägt einen Pulli mit der Aufschrift "100 Prozent Simbabwe" und steht auf einer Demonstration von Kriegsveteranen, jenen Leuten, die im Jahr 2000 von Mugabe dazu aufgehetzt worden waren, die etwa 4000 weißen Farmer von ihren Höfen zu vertreiben, oder sie gleich totzuschlagen. Auch Shepard hat seine Farm verloren. "Es fühlt sich komisch an, hier zu stehen, dort drüben steht ein Mann, der damals meinen Nachbarn verprügelt und seiner Frau ins Gesicht geschlagen hat, vor den Kindern. Heute höre ich ihn reden und finde alles richtig, was er sagt. Auch das muss ich erst einmal verarbeiten." Die Gegner von damals vereint der gemeinsame Feind, Robert Mugabe.

Von dem machte mittags das Gerücht die Runde, er wolle vor die Demonstranten treten, um sich entschuldigen. Stoff gäbe es ja genug. Er könnte sich für die Massaker an der Opposition entschuldigen, oder für die Wahlfälschungen. Dafür, dass er und seine Leute im Rolls Royce fahren, während die Menschen hungern. Wenn er tatsächlich erst mal anfinge, könnte das über mehrere Stunden gehen. So lange, wie seine Reden früher waren. Ein verrückter Gedanke, aber in Simbabwe ist derzeit alles möglich.

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