Rosa Luxemburg:"Die Linke ist nicht mehr die Partei der Außenseiter"

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Marsch linker Parteianhänger zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde (Foto: AFP)

100 Jahre nach der Ermordung von Rosa Luxemburg bezweifelt der Politologe Torsten Oppelland, dass die Linke noch viel mit ihrem früheren Idol gemeinsam hat.

Interview von Bernadette Mittermeier

Vor 100 Jahren, am 15. Januar 1919, ermordeten rechte Freikorps die beiden KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die Linkspartei versucht, ihr Andenken lebendig zu halten: mit ihrer Luxemburg-Stiftung, einem jährlichen Trauermarsch in Berlin und Gedenkfeiern rund um den 100. Todestag.

Der Politikwissenschaftler Torsten Oppelland forscht an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. 2014 hat er mit einem Kollegen ein Buch über die Linkspartei veröffentlicht: "Die Linke. Willensbildung in einer ideologisch zerstrittenen Partei".

SZ: Sahra Wagenknecht wurde lange als eine Art wiedergeborene Rosa Luxemburg gesehen. Gibt es echte Gemeinsamkeiten zwischen den beiden oder liegt das eher an der Frisur?

Torsten Oppelland: Eher letzteres. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung waren sie sich inhaltlich noch näher, als Sahra Wagenknecht Sprecherin der Kommunistischen Plattform war und in der damaligen PDS für einen sehr linken Kurs stand. Damals hat sie noch betont, man könne die DDR nicht als stalinistisch bezeichnen. Heute gibt es kaum noch inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den beiden.

Wie sieht es mit der Linkspartei insgesamt aus: Spielen Luxemburgs Ideen heute noch eine Rolle?

Ihr Gedankengut weniger - aber als Symbol ist sie nach wie vor wichtig. Die Linke vereinnahmt gerne alles für sich, was man als links definieren könnte: In ihrem Grundsatzprogramm zieht sie eine direkte Traditionslinie von der SPD im Kaiserreich über Rosa Luxemburg bis zu den 68ern im Westen. Das alles habe sozusagen direkt zur heutigen Linkspartei geführt.

Wofür ist Luxemburg ein Symbol?

Sie und Karl Liebknecht stehen für den linken Widerstand. Damit ist Widerstand recht allgemein gemeint, gegen den Kapitalismus, gegen militaristische Politik, gegen Faschismus. Bei der Haltung zur russischen Revolution sieht man lieber nicht so genau hin. Die beiden wollten natürlich nicht die Weimarer Republik gründen, sondern ein sozialistisches Deutschland schaffen. Solche revolutionären Gedanken hat heute kaum noch jemand in der Linken. Die jährlichen Trauermärsche zum Todestag der beiden in Berlin sind eher Traditionsveranstaltungen, das gehört zur Partei-Folklore.

Bei diesen Trauermärschen laufen neben Politikern der Linken auch regelmäßig Menschen mit, die Stalin-Porträts vor sich hertragen und DDR-Fahnen schwenken. Schaden solche Veranstaltungen der Partei?

Nicht mehr. 2006 gab es darüber noch eine massive Auseinandersetzung: Unmittelbar gegenüber dem Gelände, an dem die Gedenkstätte liegt, ist ein kleiner Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus gesetzt worden. Das ist damals von vielen im alten linken Milieu als Provokation gesehen worden und hat zu großem Streit in der Partei geführt. Heute haben diese Menschen in der Linken nichts mehr zu sagen. Der DDR-Geruch ist verflogen, inzwischen tummeln sich auf den Parteitagen viele junge Menschen, die erkennbar aus einem alternativen Milieu stammen.

Die CDU kritisiert die Linke für ihr Gedenk-Programm rund um Luxemburg und die Gründung der KPD.

Natürlich versuchen politische Gegner wie die CDU noch ab und zu, diese Karte zu spielen. Aber der tägliche Umgang in den Landesparlamenten ist ein völlig anderer, da sind die Berührungsängste doch stark zurückgegangen.

Torsten Oppelland ist Politikwissenschaftler an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er forscht unter anderem über die Linkspartei. (Foto: privat)

Funktioniert das Schreckensbild einer "kommunistischen Linken" noch bei den Wählern?

Das glaube ich nicht, das funktioniert nicht mal mehr in Westdeutschland. Die Linke ist zu einer etablierten Partei geworden. Sie sprechen hier mit jemandem, der in Thüringen wohnt. Wir haben seit bald vier Jahren mit Bodo Ramelow einen linken Ministerpräsidenten, ohne dass hier der Kommunismus ausgebrochen wäre.

Wofür steht die Linke inzwischen?

Inhaltlich ist sie nach wie vor eine antikapitalistische Protestpartei - die aber das Problem hat, dass ihr viele Protestwähler weggelaufen sind. Deshalb setzt sie heute vor allem auf eine andere Tradition, nämlich den Antifaschismus. Der hat immer eine Rolle gespielt, heute ist er aber viel wichtiger geworden, weil es einen neuen Gegner gibt. Ich will nicht sagen, dass die AfD eine faschistische Partei ist, aber im linken Milieu wird sie natürlich so gesehen.

Sahra Wagenknecht wird zur Zeit eher vorgeworfen, sie würde sich mit ihrer "Aufstehen"-Bewegung der AfD annähern, nicht sie bekämpfen.

Das stimmt auch zu einem gewissen Grade. Sie will die verlorenen Protestwähler nicht aufgeben. Das unterscheidet sie von der jüngeren Generation linker Politiker. Die sagen, etwas überspitzt ausgedrückt: Wenn Protestwähler bereit sind, eine Stimme für eine Partei abzugeben, die wir für rassistisch halten, dann wollen wir die nicht wiederhaben. Sie hoffen, eine alternative, jüngere Wählerschaft zu gewinnen.

Funktioniert diese Strategie?

Das ist auf lange Sicht noch offen, bisher nimmt die AfD der Linken ordentlich Stimmen weg. Auch bei uns in Thüringen wird das bei der nächsten Landtagswahl sicher so sein. Die Auseinandersetzung mit der AfD ist heute die eigentliche Konfliktlinie in der Linkspartei. Das ist wirklich ein dramatischer Wechsel, das Erscheinen der AfD hat das ganze Parteiensystem durcheinandergewirbelt. Jetzt erscheint es nicht mehr völlig ausgeschlossen, dass die CDU einmal mit der Linken in irgendeiner Form kooperieren könnte. Die Linke ist nicht mehr die Partei der Außenseiter, das ist heute die AfD.

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