Streit mit Russland:USA steigen aus INF-Abrüstungsvertrag aus

Lesezeit: 3 min

US-Außenminister Mike Pompeo verkündet den Ausstieg seines Landes aus dem INF-Abkommen (Foto: AFP)
  • Die USA kündigen den INF-Vertrag mit Russland auf.
  • Außenminister Pompeo wirft Moskau Vertragsbruch durch Stationierung einer neuen Mittelstreckenwaffe vor.
  • Man wolle aber "auf allen Ebenen" mit Russland im Gespräch bleiben.

Die USA haben ihren Rückzug aus dem Abrüstungsvertrag INF angekündigt, sollte Russland in dem Streit nicht einlenken. Das teilte US-Außenminister Mike Pompeo in Washington mit. Der Rückzug solle in sechs Monaten in Kraft treten. Falls Russland sich bis dahin nicht wieder an den Vertrag halte, sei dieser hinfällig. Die USA seien allerdings bereit, weiterhin "auf allen Ebenen" mit Russland über die Rüstungskontrolle zu verhandeln.

Pompeo warf Moskau vor, den Vertrag jahrelang "ohne Reue" gebrochen zu haben. Damit würden Millionen Europäer und Amerikaner einer großen Gefahr ausgesetzt. "Es ist unsere Pflicht, darauf zu antworten", sagte er. Man habe Russland schon im Dezember gewarnt und genügend Zeit gegeben, doch noch einzulenken. Die US-Regierung hatte Moskau ein sechzigtägiges Ultimatum gestellt, den Vertrag einzuhalten. Es wäre an diesem Samstag abgelaufen. Theoretisch bleibt nun noch bis August Zeit, den Vertrag zu retten. In dem Abkommen ist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vorgesehen.

"Können Sie uns außer Tweets weitere Beweise liefern?"

Russland drohte mit Konsequenzen. "Wenn sich die amerikanische Seite aus dem INF-Vertrag zurückzieht, behält sich Moskau das Recht vor, entsprechend zu reagieren", sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskaus, Maria Sacharowa, russischen Medien zufolge - ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Es sei Teil des amerikanischen Konzepts, möglichst viele internationale Abkommen zu brechen und aufzukündigen.

Sacharowa forderte von den USA Beweise für die Anschuldigung vorzulegen, den Vertrag gebrochen zu haben: "Könnten Sie uns außer Ihren Tweets weitere Beweise dafür liefern, wie es geschah? Es gibt keinen einzigen Beweis - kein Satellitenbild, keine Aufnahmen."

Der Schritt der USA ist historisch. Der INF-Vertrag, unterzeichnet am 8. Dezember 1987 von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow, verbietet den beiden Supermächten als erstes Rüstungskontroll-Abkommen eine komplette Klasse von destabilisierenden Waffen: bodengestützte Marschflugkörper und Raketen mit Reichweiten von 500 bis 5500 Kilometern, egal ob konventionell oder atomar bestückt. Mitten im Kalten Krieg gewährleistete der Vertrag vor allem Europa Schutz vor der atomaren Bedrohung.

Die USA sahen den INF-Vertrag durch russische Marschflugkörper mit der Bezeichnung 9M729 (Nato-Bezeichnung: SSC-8) verletzt. Sie stellen nach Auffassung Washingtons einen eindeutigen Bruch des Abkommens dar. Russland wiederum machte in den vergangenen Wochen mehrmals deutlich, dass es die Vorwürfe für haltlos erachte und nicht daran denke, seine Marschflugkörper zu vernichten. Dass es noch einlenkt, ist daher unwahrscheinlich.

Nato: Wir unterstützen den Schritt uneingeschränkt

Die Nato-Partner stellten sich hinter die Entscheidung der USA. In einer Erklärung des Nordatlantikrats heißt es, die Verbündeten unterstützten den Schritt uneingeschränkt. Es sei Russland, das den Vertrag verletze. Das stelle eine signifikante Gefahr für die euroatlantische Sicherheit dar. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, den Gesprächsfaden zu Russland nicht abreißen zu lassen. Außenminister Heiko Maas sagte, die Regierung in Moskau habe den INF-Vertrag faktisch außer Kraft gesetzt. Ohne den Vertrag werde es weniger Sicherheit geben. Kritik am Kurs der USA äußerte er nicht.

Nach den Worten Pompeos sind die USA bereit, weiterhin mit allen Staaten über die "komplizierten Abrüstungsfragen" zu verhandeln. US-Präsident Donald Trump sei es aber wichtig, dass alle Vereinbarungen im Interesse der USA und seiner Verbündeten stehen müssten. Kritiker unterstellen den USA, ebenfalls kein besonders großes Interesse an dem INF-Vertrag in seiner derzeitigen Form zu haben. Er bindet nur Amerikaner und Russen, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter das Abkommen fallen würden.

Der Streit über den INF-Vertrag hat sich zum schwersten Konflikt zwischen den USA und Russland seit Ende des Kalten Krieges entwickelt. Manche Experten gehen davon aus, dass ein Ende des Vertrags andere Rüstungs-Abkommen in Frage stellen werde und damit das weltweite System zur Begrenzung von Atomwaffen schwäche. In Europa befürchten Regierungsmitarbeiter, dass ein Ende des INF-Vertrages dazu führen werde, dass wie im Kalten Krieg vor allem hier neue Mittelstreckenraketen stationiert werden könnten.

Deshalb wächst die Angst vor einer neuen Rüstungsspirale. Die Friedens- und Abrüstungsorganisationen Ican und IPPNW forderten die Bundesregierung auf, alles gegen ein mögliches neues Wettrüsten und eine Stationierung von neuen nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa zu tun. "Die Bundesregierung sollte jetzt klar im Sinne der deutschen Bevölkerung sagen: Wir wollen hier keine Atomwaffen, wir wollen keinen neuen Kalten Krieg in Europa haben", sagte Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW und Vorstandsmitglied von Ican Deutschland, der Nachrichtenagentur AFP.

© SZ.de/fued/kit/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Rüstungsabkommen
:Jetzt sind die Europäer am Zug

Der INF-Vertrag steht vor dem Aus, Russland rüstet auf. Was tun? Die Nato muss Einigkeit und Stärke demonstrieren - nur so lässt sich Putin beeindrucken.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK