Fünf Sterne:Ein 31-jähriger Populist könnte Regierungschef werden

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In seiner Heimat nennen sie ihn "Giggino o Presidente" (der kleine Luigi als Präsident). Jetzt könnte Luigi di Maio Regierungschef Italiens werden. (Foto: AFP)

Luigi di Maio ist der neue starke Mann der Fünf-Sterne-Bewegung, die die Wahl in Italien gewonnen hat. Früher hat die Partei Bündnisse verachtet - doch jetzt, wo die Macht nah ist, gilt das nicht mehr.

Von Oliver Meiler, Rom

Kein graues Haar, ein Lächeln ohne Falten, dazu ein dunkelblaues Sakko, weißes Hemd, eine ausgewählt feine Krawatte: Das Neue kann auch sehr altbacken daherkommen. Als Luigi Di Maio, 31 Jahre jung, aus Pomigliano d' Arco bei Neapel, am Montag nach seinem großen Triumph in Rom vor die Medien tritt, ist da plötzlich kein Gezische mehr, kein schriller Tonfall, keine Schmähung.

Di Maio gibt den Staatsmann. "Wir werden den Dialog mit allen suchen", sagt er. Was sich anderswo wie eine übliche Formel nach der Wahl anhören würde, ist in diesem Fall eine mittlere Sensation. Bisher war es so, dass die Cinque Stelle, die Di Maio als "Capo politico" anführt, jedes Angebot für eine Allianz mit anderen Parteien ausgeschlagen haben. Aus Prinzip und Stolz. Man wollte anders sein, nicht vergiftet vom Geist der "Kaste".

Vor seiner politischen Karriere war Di Maio arbeitslos

Nun aber ist die Macht so nah. Und "Giggino o Presidente" (der kleine Luigi als Präsident), wie sie ihn daheim in Pomigliano schon länger rufen, könnte tatsächlich Premier werden. Er wäre der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte der italienischen Republik. Bei seinem kurzen Auftritt sagt er auch noch, die Fünf Sterne seien die "absoluten Sieger" der Wahlen. Das stimmt natürlich nicht, sonst bräuchten sie nicht zu koalieren. Doch die Euphorie kann ihm niemand verdenken.

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Di Maio, der vor seiner politischen Karriere arbeitslos war, ist es in kurzer Zeit gelungen, das Stimmenpotenzial seiner Bewegung stark zu mehren. Wider alle skeptischen Auguren, die ihn als Leichtgewicht mit ungefährer Grammatik und geografischen Wissenslücken belächelten. Er musste ohne die Hilfe des Gurus und Gründervaters der Partei auskommen, ohne Beppe Grillo also, der immer sein Mentor gewesen war. Grillo hatte sich während der Wahlkampagne einfach zurückgezogen, sogar den Blog hatte er von der Partei abgekoppelt. Dennoch gewannen die Cinque Stelle mit Di Maio fast 33 Prozent, rund elf Millionen Stimmen. Ihre Parlamentsmandate dürften sie verdreifacht haben.

Aber eben: Es reicht nicht. Di Maio braucht Alliierte. Er ist ein eher konservativer Kopf. Man nennt ihn auch einen "Democristiano", einen Christdemokraten unter den Sternen, obschon er sich solche ideologischen Kategorisierungen verbitten würde. Die Partei, die es erst seit 2009 gibt, sieht sich als postideologische, basisdemokratische Kraft. In gesellschaftlichen Fragen steht Di Maio eher rechts, in wirtschaftspolitischen auch mal links. Für einige Aufregung sorgte vor der Wahl seine Aussage, er würde in einer Volksabstimmung über den Euro für einen Austritt stimmen. Später korrigierte er sich. Man riet ihm dazu: Brüssel und die Finanzmärkte sollten nicht allzu sehr alarmiert sein. Abgesehen davon, sieht die italienische Verfassung gar nicht vor, dass die Bürger über internationale Verträge abstimmen.

Danach setzte er alles daran, möglichst vertrauenswürdig und institutionell gesetzt zu wirken. Di Maio nahm dafür an Industriellentreffen teil, reiste in viele Hauptstädte Europas und traf sich dort mit allen, die bereit waren, ihn zu empfangen. Es war nicht immer die Topprominenz. Sein ganzer Habitus schrie: "Ich will an die Macht. Vertraut mir!" Di Maio schrieb die internen Regeln der Bewegung neu und stärkte damit seine Position. Er war es, der die Wahllisten zusammenstellte. Und ein Team von möglichen Ministern stellte er vor den Wahlen auch vor. Niemand sollte daran zweifeln, dass er zum Regieren fähig wäre.

Selber trat er wieder für einen Sitz in der Abgeordnetenkammer an, und zwar daheim, im Wahlkreis Acerra. Die Rechte schickte den berühmten Kunstkritiker Vittorio Sgarbi nach Kampanien, damit der Di Maio herausfordere mit seiner bissig-bösen Art. Nun, "Giggino" deklassierte Sgarbi, und zwar mit 63 zu 20 Prozent. "O Presidente"?

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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