Deutsch-türkischer Erdoğan-Kritiker:Wie Doğan Akhanlı seine Festnahme erlebt hat

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Gestrandet in Madrid: Dogan Akhanlı. (Foto: AP)

Es ist nicht das erste Mal, dass der deutsch-türkische Autor verhaftet wurde - sein Anwalt glaubt, dass er bespitzelt wurde.

Wieder Handschellen an den Gelenken. Kaltes Metall. Die Blicke der Leute, genauso kalt: Wie ein Schuldiger behandelt zu werden, wie ein Verbrecher. Und was kommt dann, wenn sich die Türen zur Zelle hinter ihm schließen? Wann werden sie sich wieder öffnen? Doğan Akhanlı kennt diese beklemmende Situation aus der Vergangenheit. Aus seiner früheren Heimat, der Türkei.

Aber das hier ist nicht die Türkei. Das ist Spanien. Hier wollte der im deutschen Exil lebende Schriftsteller Urlaub machen. Mittwoch checkte er in Granada im Hotel ein. Samstagfrüh stand die Polizei vor der Tür, in schusssicheren Westen und mit Maschinenpistolen in der Hand. Die Türkei hat Akhanlı festnehmen lassen. Sie hatte ihn über Interpol weltweit zur Fahndung ausgeschrieben, 2013 schon.

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Akhanlı wusste, dass er mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Aber er dachte, die Polizei in Europa würden die Fahndungslisten der Türkei, auf der schnell missliebige Regierungskritiker landen würden, "nicht ernst nehmen". Europa könne die türkische Willkür und Arroganz nicht erreichen.

In den vergangenen Jahren war er mehrmals im europäischen Ausland auf Reisen. Nie war etwas passiert. Aber jetzt, in einer Zeit, in der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan fast überall nur noch Feinde wittert, da trifft es ihn.

Ein Zufall?

Daran glaubt sein Anwalt nicht. Ilias Uyar hält es für möglich, dass Akhanlı bespitzelt wurde. "Ich glaube, die spanischen Behörden haben einen Tipp bekommen. Anders kann ich mir das nicht erklären." Akhanlı sagt: "Ich habe gedacht, dass ich das Trauma der früheren Gefängniszeit in der Türkei überwunden hatte."

"Ich habe Sehnsucht nach Deutschland"

Aber dem ist nicht so. "Dass ich das in Europa erleben muss, das ist schlimm. Ich habe Sehnsucht nach Deutschland", sagt er. "Ich glaube, da bin ich sicher."

Nach Haft und Folter war Akhanlı 1991 nach Deutschland geflohen. Er kehrte noch einmal in die Türkei zurück, 2010 war das. Da wartete wieder das Gefängnis auf ihn.

Der einstige linke Aktivist wurde angeklagt wegen eines Jahrzehnte zurückliegenden Raubmords. Als Kopf einer linksextremen Gruppe soll er im Jahr 1989 eine Istanbuler Wechselstube überfallen und den Besitzer getötet haben. Augenzeugen sagten, dass er nicht der Täter war.

Im Dezember 2010 kam er aus der Haft, dann folgte der Freispruch, der aber 2013 wieder kassiert wurde. Wie sein Anwalt sagt, wird Akhanlı immer noch wegen derselben Anschuldigungen gesucht, laut Haftbefehl Raubmord, Terrorunterstützung und wegen des versuchten Umsturzes der Regierung. "Ich glaube, der Staat kann nicht ertragen, dass ich freigesprochen wurde", so erklärt Akhanlı, was gerade passiert.

Finanziell könnte ihn die Zeit in Spanien ruinieren, sagt er

Er wird gerade wieder seiner Freiheit beraubt. 40 Tage hat die türkische Justiz Zeit, ihr Auslieferungsersuchen zu begründen. 40 lange Tage. Spanien darf der Schriftsteller vorerst nicht verlassen. Einmal die Woche, immer montags, muss er sich bei den Behörden melden.

Finanziell könnte ihn die Zeit in Spanien ruinieren, befürchtet er. Aber wie in früheren Jahren, wenn die türkische Justiz nach ihm zu greifen versuchte, erlebe er wieder große Solidarität. Er möchte die Zeit in Spanien, die Zeit des erzwungenen Wartens, zum Schreiben nutzen. Sein Anwalt bemüht sich um ein Stipendium. Akhanlı sagt, es gebe gerade viel für ihn zu tun.

© SZ vom 22.08.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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