Debatte um Militärschlag in Syrien:China befürchtet Schaden für die Weltwirtschaft

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Die mögliche militärische Intervention in Syrien wird den anstehenden G-20-Gipfel dominieren. Kurz vor Beginn des Treffens im russischen Sankt Petersburg warnt China vor den wirtschaftlichen Folgen einer solchen Militäraktion. Internationale Hilfsorganisationen treibt hingegen eine ganz andere Sorge um.

Auf der offiziellen Tagesordnung steht das Thema zwar nicht. Dennoch dürfte der Bürgerkrieg in Syrien im Mittelpunkt des Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer (G 20) stehen. Auch der Syrienbeauftragte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, ist überraschend zum Treffen nach Sankt Petersburg aufgebrochen, wie ein UN-Sprecher twitterte.

Kurz vor Beginn des Gipfels warnt China vor dem Schaden, den ein Militärschlag dem ohnehin schwachen globalen Wirtschaftswachstum zufügen würde. Eine Strafaktion hätte "definitiv negative Auswirkungen" und würde zum Beispiel einen Anstieg der Ölpreise auslösen, sagte der Sprecher der chinesischen Delegation, Vizefinanzminister Zhu Guangyao. Ein Zuwachs der Ölpreise um zehn US-Dollar dämpfe das weltweite Wachstum um ein Viertel. "Eine Lösung durch politische und diplomatische Kanäle ist die einzig angemessene Lösung der Syrienfrage", unterstrich Zhu.

Auch Hilfsorganisationen mahnen, wenn auch aus anderen Gründen, eine Verhandlungslösung für den Konflikt an. Das Kinderhilfswerk World Vision appellierte in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel, ihren politischen Einfluss für eine Friedensoffensive einzusetzen. Es bestehe "die Gefahr eines Flächenbrandes". Auch Helfer in der Region würden zunehmend Ziel von Angriffen.

265 arabische zivilgesellschaftliche Organisationen forderten US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin auf, ihre Differenzen zu überwinden. Die Weltgemeinschaft müsse einen Konsens finden und auf eine Verhandlungslösung hinarbeiten.

Steinmeier fordert mehr politischen Druck

Die Hilfsorganisation Oxfam rief die Staats- und Regierungschefs der G 20 auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen. "Militärische Intervention ist nicht die Antwort und birgt unvorhersehbare und schädliche Konsequenzen für die ganze Region." Seit Ausbruch des Konflikts sind mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Nach offiziellen Zahlen sind zwei Millionen Syrer auf der Flucht.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wirft Merkel im Syrien-Konflikt Untätigkeit vor. "Statt weiter tatenlos an der Seitenlinie zu stehen", sei es nötig, dass Merkel das Treffen nutze und die "Initiative zu einer politischen Lösung" ergreife, schreibt Steinmeier in einem Gastbeitrag für Spiegel Online. Deutschland sei gefragt, die USA und Russland an einen Tisch und den UN-Sicherheitsrat wieder ins Spiel zu bringen.

Für eine politische Lösung ist nach Auffassung Steinmeiers zunächst eine "klare Aufforderung" an das Land zur Ratifizierung des internationalen Chemiewaffenübereinkommens notwendig. Zudem müsse es eine weitere Syrien-Konferenz mit Beteiligung Irans geben. "Syrien muss das Topthema des heute beginnenden G-20-Gipfels sein", fordert Steinmeier. Das Treffen biete "die letzte Chance, die Gewaltspirale zu durchbrechen".

Die EU-Staaten suchen nach einer gemeinsamen Linie im Syrien-Konflikt. Die 28 EU-Außenminister beraten an diesem Freitag in Vilnius über ihr Vorgehen in der sich stetig verschärfenden Krise.

Vorbereitungen für möglichen Militärschlag

Noch gibt es also Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts. Trotzdem treffen einige Staaten bereits Vorkehrungen für den Fall einer militärischen Intervention der USA oder auch anderer Staaten in Syrien. So schickt Italien zwei Kriegsschiffe vor die libanesische Küste, um im Falle eines Militärschlags gegen Syrien die italienischen Unifil-Blauhelme im Libanon verteidigen zu können. Der Zerstörer Andrea Doria und die Fregatte Maestrale seien auf dem Weg in die Region, berichteten italienische Medien.

Rom befürchte, dass sich der Konflikt um Syrien ausweiten und die UN-Blauhelme im Libanon vor allem durch Vergeltungsangriffe der Hisbollah mit hineingezogen werden könnten. Die Fregatte ist mit Vorrichtungen zur Raketenabwehr ausgerüstet. Die Unifil-Blauhelme sind im Süden an der Grenze zu Israel stationiert.

Auch die Türkei bereitet sich auf eine mögliche Eskalation der Gewalt an ihrer Grenze zu Syrien vor. Die Armee verlegte zusätzliche Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen an zwei Abschnitte der Grenze bei Kilis und Yayladag, wie der Fernsehsender NTV am Donnerstag berichtete. In Kilis richtete der türkische Katastrophenschutz zudem ein Feldlazarett zur Behandlung von Giftsgasopfern aus Syrien ein. Bereits in den vergangenen Tagen hatte die türkische Armee ihre Verteidigungsstellungen an der 900 Kilometer langen Grenze mit Syrien verstärkt. Unter anderem wurden Flugabwehrsysteme in Stellung gebracht. Im Südosten der Türkei sind zudem Patriot-Raketenabwehrsysteme der USA, der Niederlande und der Bundeswehr zur Bekämpfung möglicher Raketenangriffe aus Syrien stationiert.

Die syrische Führung hatte erklärt, sie werde Vergeltungsschläge gegen die Türkei führen, falls sich das Land an einem US-geführten Militäreinsatz gegen Damaskus beteiligen sollte. Auch Jordanien und Israel müssten dann mit syrischen Angriffen rechnen. In den USA hatte am Mittwoch der Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen dem Plan von Präsident Barack Obama für einen Militärschlag zugestimmt.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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