Zerstörte Spezialkamera:"Es sind Tränen geflossen"

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Bei den Ausschreitungen der Fans von Eintracht Frankfurt nach dem 0:2 gegen den 1. FC Köln ist eine 600.000 Euro teure Spezialkamera zu Bruch gegangen. Deren Entwickler Christian Schreiber spricht über den Moment, in dem monatelange Arbeit vernichtet wurde.

Martin Zips

Bei den Ausschreitungen der Fans von Eintracht Frankfurt nach dem 0:2 gegen den 1. FC Köln ist eine 600 000 Euro teure Spezialkamera zu Bruch gegangen. Das Gerät ist weltweit einzigartig und wurde am Samstag erstmals live getestet. Die Chancen, den Sachbeschädiger zu finden, sind gut - er soll in das Objektiv geschaut haben. Christian Schreiber, 31, Diplomingenieur für Medientechnik, hat die Kamera für eine hessische Firma entwickelt, die wegen der laufenden polizeilichen Ermittlungen nicht genannt werden möchte.

Immerhin das Stativ scheint noch o.k. zu sein: Die zerstörte Spezialkamera am Boden des Frankfurter Stadions. (Foto: dpa)

SZ: Herr Schreiber?

Schreiber: Es ist ein Drama. Mehr als ein Jahr lang haben wir an dieser High-Speed-Kamera gearbeitet. Bis zu 2600 Bilder in der Sekunde machte sie! In High Definition!

SZ: Sie müssen sich gefühlt haben wie Barack Obama vor dem Fernseher, als der Hubschrauber im Garten Bin Ladens abstürzte.

Schreiber: Genau so war es. Ich saß draußen vor dem Fußballstadion im Übertragungswagen und erblickte auf den Monitoren die rasende Menge. Dann sah ich gar nichts mehr. So einen Ausbruch der Gewalt hatte ich vorher noch nie erlebt.

SZ: Alles nur, weil Frankfurt wahrscheinlich absteigen muss. Sagen Sie: Hätte sich nicht zum Beispiel der Kameramann schützend vor das Gerät ...?

Schreiber: Der Kameramann? Der hat sich glücklicherweise gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Das kann man ihm nicht übel nehmen.

SZ: Es war ein Einzelstück. Hat man zu so etwas eine besondere emotionale Bindung?

Schreiber: Natürlich. Monatelang haben sich mein Kollege und ich Tag und Nacht mit der Entwicklung beschäftigt. Mein Kollege ist gerade in Frankreich im Urlaub. Als ich ihm am Telefon erzählte, was passiert ist, da sind bei uns Tränen geflossen. Wir sind ja quasi die Väter. Bevor die Kamera in Serie geht, sollte sie in Frankfurt erprobt werden. Nun müssen wir wohl wieder von vorne anfangen.

SZ: Haben Sie jemanden, der Sie tröstet? Jemand, der sagt: So eine Kamera ist nicht alles im Leben?

Schreiber: Meine Freundin natürlich. Und meine Chefs.

SZ: Woher kommt Ihre besondere Liebe zu diesen Geräten?

Schreiber: Ich habe schon als Schüler einer Gesamtschule Videos gedreht. Damals noch mit einer riesigen VHS-Kamera. So etwas, wo man die Kassette reinstecken muss. Wir haben berühmte Hollywood-Streifen nachgestellt. Auch während meines Studiums haben mich bewegte Bilder begeistert.

SZ: Und was ist so toll an Zeitlupe?

Schreiber: Wie zerplatzt eine Wasserbombe? Welchen Erschütterungen ist der Körper eines Boxers ausgesetzt? Das ist doch faszinierend. Unser Prototyp schaffte Ultra-Zeitlupe, wie sie nie zuvor zu sehen war. Und während die Kamera die Bilder wiedergab, nahm sie schon wieder neue auf. Erstmals haben wir sie - und ihre kleine Schwester, ebenfalls ein Unikat - unter Live-Bedingungen im Stadion getestet. Und nun ist das 600.000 Euro-Gerät völlig kaputt und ihre kleine Schwester verschwunden.

SZ: Furchtbar.

Schreiber: Kommende Woche sollten beide in Barcelona eingesetzt werden. Bei der Formel 1.

SZ: Wird man den Täter finden? Wird man ihn zur Rechenschaft ziehen können?

Schreiber: Das ist die Frage.

SZ: Besuchen Sie auch privat Sportveranstaltungen?

Schreiber: Nein. Das ist eher nichts für mich.

Interview: Martin Zips

© SZ vom 10.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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