Männermode:Schlappe für die Männlichkeit

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Auch in der "Vogue" gibt es immer wieder Fotos weißbesockter Sandalenmodels, dieses Foto entstammt allerdings nicht dem Modemagazin. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Ein Foto auf dem Programmheft der Volkshochschule Buxtehude bringt so manchen Mann in Rage. Sind Herrenfüße in Socken und Sandalen diskriminierend oder einfach nur aus der Zeit gefallener deutscher Humor?

Von Kurt Kister

Hamburg ist nicht unbedingt als Deutschlands Zentrum der Männermode bekannt. Einerseits trägt man dort immer noch gerne den FDP-Look (Sakko mit dezenten Karos, Pullöverchen, Halstuch), andererseits hält sich auch die Sitte, Freizeit durchs Anziehen einer roten Hose zu signalisieren. Das bekannteste Herrenmodestatement Hamburgs ist Udo Lindenbergs Hut. Und Olaf Scholz, langjähriger Regierender in Hamburg, ist so etwas wie der hanseatische Anna Wintour.

Buxtehude gehört zur weiteren Peripherie Hamburgs und ist bundesweit vor allem deswegen bekannt, weil sein Name gerne als Synonym für Ganz-weit-weg-Provinz benutzt wird. Modisch gesehen ist Buxtehude ungefähr Hamburg im Quadrat.

Ausgerechnet in Buxtehude spielt sich gerade ein Streit um Männermode ab, der in Wirklichkeit aber ein Gekeife über Klischees, Ironieversagen und deutschen Humor ist. Die ortsansässige Volkshochschule (VHS) hat ihr neues Programmheft mit einem Foto von zwei Männerfüßen in weißen Socken und dunklen Sandalen illustriert. Die zugehörige Zeile lautet: "Männer in die VHS!" Das hängt einerseits damit zusammen, dass der Anteil männlicher VHS-Nutzer im ganzen Land, also zwischen Kempten, Bautzen und Buxtehude, relativ niedrig ist; mancherorts machen sie nicht einmal ein Fünftel der VHS-Kundschaft aus. Andererseits aber gelten weiße Socken in Sandalen seit Jahrzehnten als Symbole jenes gemäßigt prolligen deutschen Mannes, der in Rimini, Malle oder eben Buxtehude ganz er selbst ist.

Liebe Provinzdeppen, kommt alle in die VHS

Nachdem die VHS Buxtehude die Sockensandalenfüße zum Symbol auch nördlicher Männlichkeit erkoren hatte, erhob sich socialmediamäßig ein Sturm im Elbwasserglas. Die einen fanden es lustig; die anderen fühlten sich diskriminiert und das auch noch in einer Zeit, in der ohnehin der Mann als solcher, zumal der berüchtigte alte weiße Mann, in nahezu rassistischer Weise verhöhnt werde. Bei der VHS Buxtehude löste dies Nachdenklichkeit aus. Das Hamburger Abendblatt zitiert den Leiter der VHS Buxtehude, Dirk Pohl, mit den Sätzen: "Wir wollen niemanden bloßstellen. Wir möchten lediglich die Männer als neue Zielgruppe ansprechen."

Weiße Socken in Sandalen gelten seit Jahrzehnten als Symbole der gemäßigten deutschen Prolligkeit. Ob so ein Proll wohl zur Zielgruppe für den Buxtehuder VHS-Kurs "Schönheit hat keine Altersgrenze" (freitags, 11 Uhr) gehört? (Foto: dpa)

Nun kann man geteilter Meinung darüber sein, wie sinnvoll oder lustig es ist, eine bestimmte Gruppe von Menschen auch darüber "ansprechen" zu wollen, dass man zu ihnen sagt: Ich weiß, dass viele von euch Provinzdeppen sind, aber kommt doch trotzdem zu mir. Allerdings legt die Buxtehude-Kontroverse auch nahe, dass es immer wieder mal an der Zeit ist, sich von uralten Klischees zu verabschieden. Als Gerhard Polt vor 35 Jahren in seinem Film "Man spricht deutsh" die Sockensandalennummer abzog, war das ziemlich witzig. Seitdem aber ist viel Zeit vergangen, und die wenigen, auch im Alltag wirkenden Männermodeästheten aus der Großen Generation, also die sogenannten Babyboomer, sind in Rente, tragen Covidjogginghosen oder haben anderweitig kapituliert.

Dem Trend normcore zufolge (zusammengesetzt aus normal und hardcore) ist die Kombination eigentlich unauffälliger Teile nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Socken sind unauffällig, Sandalen auch, wenn man es nicht übertreibt und sie zum Beispiel im Büro trägt (aber wer geht heute schon noch ins Büro?). Auch in Anna Wintours Vogue gibt es immer wieder Fotos weißbesockter Sandalenmodels. Gewiss, die Damen sind keine Männer, aber, moderne Zeiten, wer weiß denn, wie viele der Sandalenmänner sich nicht ab und an schon früher heimlich wie Damen fühlten?

Schon der westdeutsche Poet Herbert Grölemeyer wusste bereits 1984, dass Männer oh so verletzlich sind. Vierzig Jahre später gilt das verschärft, zumal in Buxtehude. Deswegen für die Neuauflage des Programms ein Tipp: zwei Männerfüße, einer im Gummistiefel, der andere im weißbesockten High Heel, die Zeile: "Wann ist ein Mann ein Mann? In der VHS Buxtehude!"

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