Die Polizei im nordrhein-westfälischen Hagen hat eher bescheidene 19 000 Fans, nun erlangte sie binnen zwei Tagen ein bisschen Internet-Ruhm. Mit einer Bitte an Eltern: "Hören Sie bitte auf, Ihren Kindern zu sagen, dass wir sie holen, wenn sie nicht brav sind. Ihre Kinder sollen zu uns kommen, wenn sie Angst haben...und nicht Angst vor uns haben", posteten die Beamten auf Facebook. Die zwei Sätze gingen viral. Der Post wurde 21 000 Mal geliked, 67 500 Mal geteilt, und hat der Polizei zufolge mittlerweile eine Reichweite von 5,5 Millionen Nutzern. So viele Menschen könnten ihn zumindest theoretisch gesehen haben. Darunter entspann sich in fast 900 Kommentaren eine heftige Diskussion: Kritiker der Polizei warfen ihr wahlweise Gewalt oder Untätigkeit vor, viele andere nahmen die Beamten in Schutz. Die Idee zu dem Post hatte Hauptkommissar Tino Schäfer, der 41-jährige Sprecher der Hagener Polizei.
SZ: Herr Schäfer, müssen Kinder Angst vor Ihnen und Ihren Kollegen haben?
Tino Schäfer: Müssen sie definitiv nicht. Wir haben den Post veröffentlicht, damit Eltern die Polizei nicht als Druckmittel benutzen, sondern sie ihren Kindern im Gegenteil als Freund und Helfer verkaufen. Damit die Kinder keine Ängste und Barrieren vor der Polizei aufbauen.
Aber drohen Eltern ihren Kindern tatsächlich noch so? Was war denn der Auslöser, dass sie Elternschelte per Facebook-Post betrieben haben?
Auslöser war ein privates Erlebnis. Ich habe am Montag im Supermarkt eine Mutter gesehen, ihr kleiner Sohn saß im Einkaufswagen. Er versuchte mehrfach, ins Regal zu greifen und irgendwann sagte sie: "So, wenn du jetzt nicht aufhörst, ruf ich die Polizei." Er erstarrte regelrecht - und ließ es sein.
Was haben Sie getan?
Ich habe die Frau angesprochen und mich als Polizist zu erkennen gegeben. Ich erklärte ihr, dass es kontraproduktiv sei, wenn Kinder Angst vor der Polizei hätten. Sie sagte, dass sie überdenken werde, ob sie es nochmal macht.
Dann schrieben Sie den Appell an die Eltern. Sie posten jeden Tag ein bis zweimal auf Facebook, was passierte mit diesem Post?
Wir dachten uns schon, dass das Thema diskutiert werden wird, sind aber überrascht, dass die Reichweite bis auf 5,5 Millionen hochgegangen ist. Viele Menschen teilen und liken den Beitrag, dadurch sehen ihn immer mehr Menschen. Eine Art Schneeballsystem.
Wie haben die Menschen auf den Post reagiert?
Überwiegend positiv, wir haben auch viele nette Mails bekommen. Es gab aber auch Kritik: dass man ohnehin keinen Respekt, geschweige denn Angst mehr vor der Polizei habe. Zudem wurden Polizisten der Gewalt bezichtigt.
Gerade hier in NRW gab es jüngst einige Fälle von Polizeigewalt, zum Beispiel ein Angriff auf einen Autofahrer in Herford. Jetzt ist ein Kölner Spezialeinsatzkommando wegen eines brutalen Aufnahmerituals im Gerede. Das schadet doch dem Image der Polizei.
Auf Facebook ging es eher um negative persönliche Erlebnisse mit der Polizei und grundsätzlich polizeifeindliche Äußerungen. Das war aber die Ausnahme. Wenn im Netz konstruktive Kritik geübt wird, finden wir das auch ok.
Warum glauben Sie, hat das so einen Nerv getroffen?
Ich glaube, dass sich viele unmittelbar angesprochen fühlen. Entweder, weil sie selbst als Kind schon mal von einer solchen Drohung betroffen waren oder weil sie als Elternteil ihrem Kind bereits mit der Polizei gedroht haben. Der Beitrag hat viele zum Nachdenken angeregt.
Wie glauben Sie, fühlt sich ein Kind bei einer Drohung mit der Polizei?
Schlecht, weil es einfach Angst hat, von der Polizei mitgenommen und eingesperrt zu werden.
Sie sprechen aus persönlicher Erfahrung?
Ja, es ist mir noch präsent. Meine Eltern drohten mir mit der Polizei, und ich bekam Angst. Zufällig fuhr dann ein Streifenwagen vorbei und ich habe befürchtet, dass er wegen mir gekommen wäre.
Haben Sie denn einen Tipp für Eltern, wie sie ihren Kindern statt mit der Polizei drohen sollten?
Am besten sollten sie ihnen überhaupt nicht drohen. Und mit einem staatlichen Organ noch viel weniger.