Vatikan:Prominenter Priester bekennt sich zu Frau und Kindern

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Ausgerechnet für den ehemaligen Rektor eines Priesterseminars im Vatikan war der Zölibat offenbar ein Problem. Sein Bekenntnis wirft ein Schlaglicht auf ein verschwiegenes Thema.

Von Oliver Meiler, Rom

Youtube ist eine teuflisch reiche Quelle, voller Zeitdokumente, wichtigen und nicht so wichtigen. Da findet man auch ein kurzes Video, fünfeinhalb Minuten lang nur, das den Spanier Oscar Turrión zeigt. Aufgenommen wurde es Ende 2014, und Daten sind in dieser Geschichte nicht ganz unwesentlich. Turrión sitzt in einem Fauteuil, die Hände im Schoß gefaltet, neben ihm ein Tisch mit Fußball-Trophäen, und erzählt, wie er seine neue Aufgabe als Rektor des katholischen Kollegiums Maria Mater Ecclesiae wahrnehmen möchte. So heißt eine Residenz für Seminaristen in Rom, nicht weit vom Vatikan. Ein Wort fällt auffallend oft: Freiheit. Er hoffe, sagt Pater Turrión in der Aufnahme, dass die werdenden Priester ihr römisches Leben "in Freiheit" lebten.

Nun, der Rektor sprach wohl schon ein bisschen für sich selbst. Am Wochenende wurde bekannt, dass Oscar Turrión schon seit Längerem in einer Beziehung mit einer Frau lebt, und dass diese Frau zwei Kinder auf die Welt gebracht hat - seine Kinder, ein Junge und ein Mädchen. Er sei im Frieden mit sich selbst, schreibt Turrión in einer Erklärung, dennoch bitte er all jene um Vergebung, deren Vertrauen er missbraucht habe. Er habe nie Geld aus der Kasse des Seminars genommen, um damit den Unterhalt seiner Familie zu finanzieren. Freunde hätten ihm geholfen, mit Spenden. Oscar Turrión, 49, ist zurückgetreten. Das Priesteramt legt er nieder.

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Nun gibt es ja viele solche Geschichten von Priestern, die heimlich dem Zölibat entsagen. Auch in Deutschland, in den kleinen Gemeinden und Dörfern. Dieser Fall aber ist so speziell, dass der sonst eher konservative Orden der Legionäre Christi, der das Kollegium führt, sich gedrängt fühlte, einen offenen Brief zu schreiben. Eine Premiere. Man sei sich durchaus bewusst, heißt es darin, wie schädlich es für das Image ihrer Institution sei, die Priester ausbilde, dass ausgerechnet ein Rektor ein "schlechtes Beispiel" abgebe. Nun kann man sich ja natürlich darüber streiten, wenigstens weltlich betrachtet, was an diesem Beispiel so schrecklich sein soll.

Eigentlich galt Turrión als idealer Rektor, erfahren und aufgeschlossen

Doch der Orden war schon davor im Gerede gewesen, vor allem wegen des wirklich schlechten Beispiels seines Gründers. Der Mexikaner Marcial Maciel Degollado (1920 - 2008) hat Jugendliche sexuell missbraucht und mindestens drei Kinder gezeugt, mit zwei verschiedenen Frauen. Das ergab eine vatikanische Untersuchung. Maciel soll auch Drogen genommen haben. Papst Benedikt XVI. setzte ihn 2006 ab und verordnete ihm einen Ruhestand "in Gebet und Reue". Die Legionäre Christi kamen danach unter vatikanische Kuratel, und das Kollegium Maria Mater Ecclesiae wurde "päpstlich". So wollte man den Aderlass stoppen, der das Seminar erfasst hatte. Die Zahl der Seminaristen hatte sich halbiert, von mehr als 200 auf knapp 100.

Eigentlich galt Turrión als ideale Besetzung, erfahren und aufgeschlossen. Er hatte schon seit sieben Jahren als Ausbilder gearbeitet. Seine Schüler nahmen immer am Clericus Cup teil, einem Fußballturnier für Seminaristen. Und Turrión spielte stets leidenschaftlich mit. Von der Tochter erzählte er seinen Oberen im vergangenen März, kurz vor der Geburt. Von seinem Sohn erzählte er etwas später. Und dieser Sohn kam "vor mehreren Jahren" auf die Welt.

Genaueres mochte der Orden nicht preisgeben - vielleicht auch deshalb, weil der Pater schon Vater war, als er vor drei Jahren sein hohes Amt antrat und den jungen Männern von den Vorzügen des Zölibats predigte.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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