Grafschaft:Expertin: Jahrestag der Flut Belastung für viele Anwohner

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Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott türmen sich an einer Brücke über der Ahr in Altenahr. (Foto: Boris Roessler/dpa/Archivbild)

Der erste Jahrestag des verheerenden Hochwassers an der Ahr könnte laut einer Expertin für viele Flutopfer zur besonderen Belastung werden. Das Flusstal tauche...

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Grafschaft (dpa/lrs) - Der erste Jahrestag des verheerenden Hochwassers an der Ahr könnte laut einer Expertin für viele Flutopfer zur besonderen Belastung werden. Das Flusstal tauche wieder mehr in den Medien auf, die Erinnerung an die Katastrophe mit mindestens 134 Toten und mit Tausenden verwüsteten Häusern sei hier allgegenwärtig, sagte die Leiterin des Traumahilfezentrums in Grafschaft oberhalb des Ahrtals, Katharina Scharping, der Deutschen Presse-Agentur.

Schätzungen zufolge seien in der Flutnacht auf den 15. Juli 2021 mindestens 15.000 Menschen traumatisiert worden - neben vielen Flutbetroffenen auch Mitarbeiter von Leitstellen und Helfer. Rund 4000 davon könnten schwere Traumata mit langfristigem Behandlungsbedarf erlitten haben. Der Jahrestag am kommenden Donnerstag könne verschiedene Symptome verstärken.

Viele Flutopfer finden Menschenmengen immer noch „besonders anstrengend“, wie die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit Blick auf etliche Gedenkveranstaltungen am nächsten Donnerstag und Freitag (14./15. Juli) im Ahrtal erklärte. Diese machten auch Angst: „Viele wollen lieber zu Hause in der Familie bleiben. Oder sie fahren weg.“ Beides habe sie schon öfters gehört.

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung am kommenden Donnerstag im Kurpark von Bad Neuenahr-Ahrweiler mit bis zu 2000 Teilnehmern stünden zwei Fachkräfte des Traumahilfezentrums (THZ) als Ansprechpartner für Gespräche in einem Beratungsbus zur Verfügung. Auch im THZ selbst haben Mitarbeiter laut Scharping am Donnerstag und Freitag ein offenes Ohr für unangemeldete Besucher. An dem Gedenken will auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnehmen.

Die promovierte Fachärztin vermutete, „dass das Ahrtal nach dem Jahrestag aus der Berichterstattung verschwindet“, überlagert von Themen wie Ukraine-Krieg, Energiekrise und Corona-Pandemie. „Das ist ein zweischneidiges Schwert“, sagte Scharping. Wenn es wieder mehr mediale Ruhe für Flutopfer gebe, könne das auch Ängste auslösen, mit der Hilfsbedürftigkeit alleine gelassen zu werden.

Schleppende Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds, Debatten mit Versicherungen, ausgebuchte Gutachter und Handwerker, fehlende Baumaterialien - die Liste für immer mehr Verbitterung könne lang sein. Hinzu kämen in der Energiekrise die Ängste vor immer noch fehlenden oder sehr teuren Möglichkeiten zum Heizen im nächsten Winter. All dies könne Depressionen hervorrufen oder verstärken, erklärte die Leiterin des Traumahilfezentrums. Für dessen Angebote gebe es wegen hoher Nachfrage vier- bis sechswöchige Wartezeiten.

© dpa-infocom, dpa:220710-99-970834/2

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