Triathlon-EM in Hamburg:"Habe das Fahrrad in gefühlt tausend Teile zerspringen sehen"

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Ein Mensch stirbt auf der Strecke des Wettbewerbs. Doch der Ironman in Hamburg wurde fortgesetzt. (Foto: Alexander Koerner/Getty Images for Ironman)

Beim Hamburger Ironman kollidiert ein Motorrad mit einem Teilnehmer - ein Mensch stirbt. Doch der Wettbewerb wird fortgesetzt. Harte Kritik äußert Deutschlands bester Triathlet.

Von Jana Stegemann, Hamburg

Nur wenige Minuten vor dem tödlichen Unfall hatte der Triathlon-Experte Sebastian Kienle in der ARD-Liveübertragung gewarnt: "Es sind viel zu viele Motorräder unterwegs."

Eigentlich war der Streckenverlauf der Ironman-Europameisterschaft in Hamburg an der Unfallstelle unspektakulär: eine asphaltierte zweispurige Straße, rechts ein Bürgersteig, daneben ein kleiner Deich. Dennoch passierte am Sonntagmorgen gegen 8.45 Uhr ein Unglück mit weitreichenden Folgen; zu diesem Zeitpunkt lief das Rennen bereits seit fast 2,5 Stunden.

Bei dem Sportwettbewerb starb der 70-jährige Fahrer eines Begleitmotorrads nach einem Frontal-Zusammenstoß mit einem 26-jährigen Radfahrer aus dem Teilnehmerfeld. Kurz hinter dem Wendepunkt der Radstrecke waren die Männer zusammengeprallt. Der britische Amateursportler wurde schwer, ein auf dem Motorrad mitfahrender Kameramann leicht im Brustbereich verletzt; er erlitt zudem einen Schock.

Die Veranstalter sitzen in Florida, dort war es mitten in der Nacht

Trotz des tödlichen Zusammenpralls teilten die deutschen Veranstalter mit, sie hätten nicht die Entscheidungsgewalt, das Rennen abzubrechen. Das könne angeblich nur die veranstaltende World Triathlon Corporation in den USA. Zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls war es an deren Unternehmenssitz in Florida mitten in der Nacht. Auf der dazugehörigen Facebook-Seite wurde allerdings weiter Werbung für den Livestream gemacht. Erst fünf Stunden nach dem Unfall veröffentlichte der deutsche Ableger "Ironman Germany" ein dürres Statement auf seiner Facebook-Seite, darin heißt es so unkonkret wie nur möglich, dass die Veranstalter "mit den örtlichen Behörden an der Lösung der Situation" arbeiteten: "Die Gesundheit und das Wohlbefinden aller an der Veranstaltung Beteiligten stehen an erster Stelle."

Sebastian Kienle hatte zuvor in der ARD von "unfassbaren Szenen, die wir so noch nie gesehen haben" gesprochen. Der Ironman-Weltmeister von 2014 meinte damit, dass das Teilnehmerfeld, das aus EM-Teilnehmern und Hobby-Athleten bestand, die Fahrräder auf den Deich wuchten und auf der Deichkrone an der Unfallstelle vorbeischieben musste. Nachdem ein Polizeisprecher den Tod des Motorradfahrers bestätigt hatte, brach die ARD ihre Online-Übertragung via Livestream wenige Minuten später ab.

"Die Athleten-Sicherheit muss vorgehen", sagte Jan Frodeno im Zielbereich. (Foto: IMAGO/nordphoto GmbH/ Witke/IMAGO/Nordphoto)

Augenzeugen, die als Zuschauer an der Strecke waren, berichteten der Süddeutschen Zeitung, dass es insbesondere am Moorfleeter Deich mehrere "brenzlige Situationen" gegeben habe. Ordner hätten Mühe gehabt, die Strecke mit Warnkegeln so abzutrennen, dass rechtzeitig Sonntagsradler vom Teilnehmerfeld separiert werden konnten.

Im Zielbereich gab es indes am Sonntagnachmittag eine Schweigeminute, Siegerehrung und Anschlussparty wurden abgesagt. Der Deutsche Jan Frodeno wurde Vierter. Nach dem Zieldurchlauf kritisierte der 41-jährige dreimalige Ironman-Weltmeister, der den Unfall aus kurzer Distanz miterlebte: "Es war unfassbar eng, eine völlige Farce. Ich war direkt nebenan und habe das Fahrrad in gefühlt tausend Teile zerspringen sehen. Ich weiß, dass das immer medial begleitet werden muss, aber die Athletensicherheit muss vorgehen." Er habe erst im Ziel vom Tod des Motorradfahrers erfahren.

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