Ultra-orthodoxe Rabbiner und Smartphones:Der Apple der Versuchung

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In Israel bekämpfen ultra-orthodoxe Rabbiner Smartphones mit harten Worten und roher Gewalt: Vom "spirituellen Holocaust" ist die Rede, die Geräte müssten verbrannt werden, lautet die Forderung. Dabei ist die Erlösung schon in Sicht: koschere Handys.

Peter Münch, Tel Aviv

Die halbe Welt mag im iPhone-Rausch sein, in ein paar kleinen israelischen Enklaven aber wird mobil gemacht gegen die Telefone - ultra-orthodoxe Rabbiner verdammen die Smartphones als Teufelszeug. Doch mit Warnungen allein wollen sie es nicht mehr bewenden lassen. Ein angesehener Rabbi forderte die Rechtgläubigen nun auf, alle ihre Geräte zu verbrennen. Ein anderer hatte den gefährlichen Apparat zuvor schon in einer öffentlichen Zeremonie erfolgreich mit dem Hammer traktiert. Wen das wundert, der sollte daran denken, dass der Apfel schon Adam und Eva im Paradies zum Verhängnis geworden war.

Ultra-orthodoxen Juden sind Handys nur erlaubt, wenn sie koscher sind - und weder fotografieren noch SMS verschicken können. (Archivbild von 2004) (Foto: REUTERS)

In der abgeschlossenen Lebenswelt der Haredim, der gottesfürchtigen Ultra-Orthodoxen, gilt das Internet seit jeher als Quelle der Verderbnis. Angeprangert wird vor allem, dass es die Pforten ins sündige Reich der Pornografie öffnet. Bedrohlich aber erscheint den tonangebenden Rabbinern wohl auch die Verbindung zur Welt außerhalb der selbst gewählten religiösen Ghettos. Ausflüge ins Netz könnten freilich ihre Deutungs- und Informationshoheit gefährden - folglich vermitteln sie ihren strenggläubigen Anhängern, dass allzu viel Wissen ihnen nur den Kopf verwirren würde.

In Mea Schearim, einem ultra-orthodoxen Wohnviertel in Jerusalem, waren bereits im Frühjahr dieses Jahres Plakate mit unmissverständlich ernsten Warnungen geklebt worden. Smartphones, so hieß es da, würden "die Heiligkeit des Hauses Israel ernsthaft gefährden" und zu einem "spirituellen Holocaust" führen.

Bloße Worte aber sind Schall und Rauch, und deshalb schritt zunächst der Rabbi Lior Glazer zur Tat. In Bnei Brak, einem Vorort für Ultra-Orthodoxe in Tel Aviv, versammelte er Mitte September nach einem Bericht der Jerusalem Post eine Runde von Studenten um sich. Seine Predigt hielt er vor einem Tischchen, auf dem ein iPhone lag, und er erzählte die Geschichte von dem armen Manne, dessen Leben ruiniert worden sei von diesem Gerät. Anschließend erhob er die Hände zum Gebet und schließlich dann zum Hammerschlag, der das Böse ziemlich eindrucksvoll besiegte.

Koschere Handys

Dass der brachiale Rabbi Glazer kein Außenseiter war, zeigt nun der Vorstoß des Rabbiners Chaim Kanievsky, der zu den einflussreichsten ultra-orthodoxen Würdenträgern in Israel gezählt wird. Auf der Titelseite der frommen Zeitung Yated Neeman verkündet der Rabbiner den Bann des iPhones und fordert alle frommen Besitzer auf, ihr Telefon den Flammen zu übergeben.

Gänzlich aber müssen die Strenggläubigen nicht auf Mobiltelefone verzichten. Schließlich gibt es mittlerweile auch koschere Handys eigens für diesen Kundenkreis - ohne Internetzugang, SMS-Funktion und Kamera. Wer am heiligen Sabbat damit telefoniert, wird allerdings mit horrenden Gebühren bestraft.

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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