Museum verklagt Modehaus Gaultier:Damit die Venus nicht verramscht wird

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Das Bild "Die Geburt der Venus", das Sandro Botticelli um 1485 gemalt hat, hängt in den Uffizien in Florenz. (Foto: Phil Bird/IMAGO)

Italien schützt Kulturgüter weit über das übliche Urheberrecht hinaus. Das könnte dem Enfant terrible der Modebranche, Jean Paul Gaultier, jetzt eine Geldstrafe einbringen.

Von Oliver Meiler und Tanja Rest

Wozu die Aufregung, könnte man jetzt fragen. Dass ein Modeschöpfer ein berühmtes Gemälde in seine eigene Zeichensprache übersetzt, indem er es auf ein Kleid oder einen Mantel appliziert und damit im Wortsinn zum Laufen bringt - gab es das nicht schon immer? Vor einem Jahr erst standen in sechs Pariser Museen ausgewählte Kleider von Yves Saint Laurent neben den Kunstwerken, die ihnen als Vorlage gedient hatten. Eine von Henri Matisse in Öl imaginierte Bluse hatte der Couturier bis zum letzten Kreuzstich nachgeschneidert, aus einem kubistischen Gitarren-Gemälde von Picasso war ein Cape geworden, das legendäre Mondrian-Etuikleid flankierte den echten Piet Mondrian im Centre Pompidou.

Ob Saint Laurent die Künstler beziehungsweise die ihr Werk bewachenden Anwälte zuvor um Erlaubnis gefragt hatte? Man darf es zumindest bezweifeln. Für den 1965 noch kaum bekannten Mondrian war das gleichnamige Kleid sogar ein Glücksfall: Sein Werk bekam auf dem Umweg über die Pariser Boutiquen eine ganz neue Schubkraft.

Die Uffizien haben die Rechte an Botticellis Venus

Wenn nun Jean Paul Gaultier, einer der berühmtesten Modeschöpfer der Gegenwart, die "Geburt der Venus" auf Stoff bannt, eines der berühmtesten Gemälde der frühen Renaissance, so klingt das zunächst nach business as usual. Das von Sandro Botticelli um 1485 erschaffene Motiv der nackt auf einer Muschel posierenden Göttin Venus hat längst Eingang in die Pop- und Gebrauchskultur gefunden, es schmückt heute Tischdecken, Einkaufstaschen und Monatsplaner. Die Rechte an diesem Meisterwerk aber, und das könnte zum Problem werden, liegen bei dem Museum, das es beherbergt: den Uffizien in Florenz. Gaultier hätte zumindest um Erlaubnis fragen müssen. Das hat er offenbar nicht getan.

Ein Top mit Botticellis Venus könnte nun für das Modehaus Gaultier ziemlich teuer werden. (Foto: instagram: @jeanpaulgaultier)

Italien schützt Kulturgüter mit einem Gesetzeskodex des Kulturministeriums aus dem Jahr 2004, der weit über das übliche Urheberrecht hinausgeht. Die Idee dahinter: Die vielen Kulturschätze des Landes sollen kommerziell nicht verramscht werden können, jedenfalls nicht so, dass Italien nichts davon hat. Artikel 107 legt fest, dass öffentliche Nachbildungen von Kunstwerken, wie die Venus von Botticelli eines ist, einer vorgängigen Bewilligung bedürfen. Im Artikel 108 stehen die Bedingungen für die Reproduktion. Die Gebühren definiert jeweils jene Einrichtung, die das Kunstwerk ausstellt, in diesem Fall die Uffizien. Die Höhe hängt in der Regel davon ab, wie groß das Geschäft ist, das mit der Verwendung solcher Produkte gemacht wird - und im Fall von Jean Paul Gaultier ist das Geschäft nicht ganz klein.

Im Frühjahr hat Gaultier die Designer-Stücke mit Venus-Antlitz beworben. (Foto: instagram: @jeanpaulgaultier)

590 Euro für ein Kleid, 150 Euro für einen Schal mit dem göttlichen Venus-Anlitz: Diese Stücke hatte der Designer im Frühjahr auf seiner Website und auf Instagram beworben; einiges findet man auch heute noch auf Secondhand-Seiten im Netz. Da er keine Bewilligung eingeholt hatte für die Nachbildung, forderten die Uffizien das Modehaus auf, es möge sich sofort mit ihnen in Verbindung setzen zwecks Ausarbeitung einer Übereinkunft; im anderen Fall müssten alle Produkte vom Markt genommen werden. Da Gaultier nicht reagierte, hat das Museum nun ein Verfahren angestrengt, um die Gebühren einzuklagen. Dem britischen Guardian zufolge könnte es sich um mehr als 100 000 Euro handeln.

Eike Schmidt, der deutsche Direktor der Uffizien, sagte den Medien, Modehäuser seien normalerweise gut unterrichtet darüber, wie das italienische Gesetz funktioniere. Es gehe jeweils nicht um Millionen Euro an Gebühren, sondern um ein paar Zehntausend oder Hunderttausend. Speziell an diesem Fall sei, dass der Designer die Mahnung aus Florenz einfach ignoriert habe. In der Mode wiederum dürfte sich das Entsetzen in Grenzen halten. Dort nennen sie Gaultier schon seit den Siebzigerjahren, und durchaus liebevoll, das "Enfant terrible".

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