Todesstrafe in den USA:Obama lässt Hinrichtungspraxis prüfen

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Proteste gegen die Todesstrafe nach der Hinrichtung eines Heckenschützen 2009 (Foto: dpa)

Nach einer qualvollen Exekution in Oklahoma kritisiert US-Präsident Obama die Todesstrafe - stellt sich aber grundsätzlich hinter die Praxis. Befürworter fürchten trotzdem Reformen.

Von Elisa Britzelmeier

Die qualvolle Exekution eines Mörders im US-Staat Oklahoma löste nicht nur bei Menschenrechtsorganisationen und Kirchenvertretern breite Kritik aus. Nun hat sich auch Präsident Barack Obama dazu geäußert: Er kündigte an, die Hinrichtungspraxis überprüfen zu lassen.

Was in Oklahoma geschehen ist, sei "zutiefst verstörend", sagte Obama bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington. Der 38-jährige Clayton Lockett war nach einer missglückten Giftinjektion erst nach 43-minütigem Todeskampf an einem Herzinfarkt gestorben.

Zwar habe Lockett "schreckliche Verbrechen" begangen, sagte Obama. "Aber ich habe auch gesagt, dass wir bei der Anwendung der Todesstrafe in diesem Land bedeutende Probleme gesehen haben." Nun wolle er eine umfassende Untersuchung anordnen, "nicht nur was diesen Vorfall betrifft, sondern allgemeiner." Obama sprach auch rassistische Vorurteile und die Verurteilung Unschuldiger an. Er habe Justizminister Eric Holder damit beauftragt, eine Analyse zur Vollstreckung der Todesstrafe anzufertigen. Damit äußerte Obama sich erstmals öffentlich zu dem Vorfall. Sein Sprecher Jay Carney hatte bereits am Mittwoch gesagt, die Hinrichtung in Oklahoma habe "humanen" Standards nicht genügt.

Unterstützer der Todesstrafe müssten "beunruhigt sein"

Will der Präsident damit eine Wende einläuten? Der Strafjustizforscher David B. Muhlhausen sagte der New York Times, Unterstützer der Todesstrafe müssten über die Äußerungen Obamas "sehr beunruhigt sein". Der erklärte Befürworter der Todesstrafe und Wissenschaftler am politischen Forschungsinstitut Heritage Foundation hält eine Abschwächung für wahrscheinlich.

Einen Grund dafür sieht der Forscher darin, dass Obama in seiner letzten Amtszeit einen positiven bleibenden Eindruck hinterlassen wolle. Einen "wirklichen Wendepunkt in der ganzen Debatte" sieht auch Richard Dieter vom Death Penalty Information Center in Washington D.C., wie er der Nachrichtenagentur AP sagte, "denn die Menschen sind davon angeekelt".

Tatsächlich scheint Obama einer Tendenz zu folgen: In der Bevölkerung hat die Zahl der Befürworter der Todesstrafe in den letzten Jahren stetig abgenommen. 1994 waren 80 Prozent der Amerikaner generell dafür, heute sind es nur noch 60 Prozent. Eine Mehrzahl der Wähler (61 Prozent) würde aber auch andere Strafformen der Todesstrafe vorziehen, hält das Death Penalty Information Center fest und beruft sich damit auf eine Umfrage aus dem Jahr 2010. Die New York Times zitiert das Meinungsforschungsinstitut Gallup, wonach die Zahl der Befürworter derzeit so niedrig ist wie in vierzig Jahren nicht.

Auch die Zahl der Hinrichtungen geht dem Death Penalty Information Center zufolge seit Jahren stetig zurück - von 98 im Jahr 1999 bis auf 39 im Vorjahr. Seit 2007 haben sechs Staaten die Todesstrafe abgeschafft, Hinrichtungen sind heute in 18 der 50 Staaten verboten.

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Von Markus C. Schulte von Drach

Obama rückt nicht von seiner urspünglichen Position ab

Von seiner ursprünglichen Position ist Obama jedoch auch mit seinen jüngsten Aussagen nicht abgerückt. Er gilt als genereller Befürworter der Todesstrafe bei Kapitalverbrechen. So sagte er auch am Freitag, es gebe Umstände, unter denen die Anwendung der Todesstrafe gerechtfertigt sei. Ähnliches schrieb er bereits 2006 in seinem Buch "Audacity of Hope": Bei einigen schwerwiegenden Verbrechen habe die Gesellschaft das Recht, ihre Empörung mit der Todesstrafe zum Ausdruck zu bringen.

Zwar setzte Obama sich als Senator in Illinois für eine Reform der Gesetze zur Todesstrafe ein, abgeschafft wurde sie aber erst nach seiner Amtszeit 2011. Als Präsident machte er nicht mit konsequenten Neuregulierungen von sich reden, weder auf der Ebene der Staaten noch auf nationaler Ebene. Im Jahr 2010 sprach er sich sogar für eine Ausweitung aus und forderte Hinrichtungen für Kinderschänder.

Welche möglichen neuen Gesetze aus der jetzt geforderten Untersuchung folgen könnten, bleibt somit zunächst vage. Der Vorfall in Oklahoma werfe vor allem Fragen darüber auf, "wie die Todesstrafe angewandt wird", sagte Obama. Der Fokus liegt bei der angekündigten Überprüfung in erster Linie auf dem Wie der Hinrichtungen, nicht so sehr auf einer grundsätzlichen Beurteilung des Systems.

Die von Obama angesprochenen rassistischen Vorurteile geben auch die Daten wieder. Einer jüngsten Studie zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geschworene sich für die Todesstrafe aussprechen, bei einem dunkelhäutigen Angeklagten dreimal wahrscheinlicher als bei einem weißen Angeklagten.

Mit Material von dpa und AFP.

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