Tiersterben an der Nordseeküste:Infektion könnte Robbensterben verursacht haben

Lesezeit: 2 min

Sorge um die Seehunde: ein Jungtier an der Nordsee. (Foto: dpa)

Die einen Tiere sterben, die anderen sind apathisch und husten: 180 tote Seehunde wurden seit Anfang Oktober an der deutschen Nordseeküste gefunden. Experten gehen von einem Virus aus.

Von Birgit Lutz

Das Tier liegt apathisch im Sand, mit letzter Kraft hat es sich an Land geschleppt und ist nun zu schwach, sich noch weiter zu bewegen, der Seehund wird wahrscheinlich bald sterben: So erging es in den vergangenen Wochen vielen Robben an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, 180 tote Tiere sind seit Anfang Oktober gefunden worden.

Dass an den Stränden der Nord- und Ostsee tote Robben entdeckt werden, ist an sich nicht ungewöhnlich - alte oder junge und für die Jagd zu schwache Seehunde sterben und werden an Land gespült. Doch die jüngst gefundenen Robben sind offensichtlich krank.

Influenza- oder Staupeviren

Das ist insofern besorgniserregend, als auch vor der dänischen Ostseeinsel Anholt seit August 200 von 1500 der dort lebenden Tiere starben. "Da ist ein Grippevirus in den Kadavern nachgewiesen worden", sagt Hendrik Brunckhorst, Sprecher des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz in Schleswig-Holstein.

Um eine weitere Verbreitung der bislang nicht bekannten Krankheit einzudämmen, sind derzeit die Seehundjäger der Nordseeinseln im Einsatz. Sie erlösen die kranken Tiere, die an den Stränden der Inseln Helgoland, Amrum, Föhr und Sylt gefunden werden, von ihrem Leiden. "95 Prozent der betroffenen Robben werden aber bereits tot angespült", sagt der Sylter Seehundjäger Thomas Diedrichsen. Die noch lebenden Tiere verhielten sich apathisch.

Bis auf einen Husten wirkten die Tiere äußerlich allerdings nicht krank, sagt Seehundexpertin Britta Diederichs vom Nationalparkamt in Tönning. Experten der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Büsum suchen daher derzeit nach dem Grund für das Sterben.

Staupe- oder Influenzaviren könnten verantwortlich sein - und eine verheerende Wirkung entfalten. Robben liegen an ihren Lagerplätzen auf den Sandbänken nah zusammen, was die Verbreitung von Krankheiten durch direkten Kontakt und Tröpfcheninfektion begünstigt.

1000 Tiere könnten betroffen sein

Bei dem letzten großen Ausbruch der Seehundstaupe im Jahr 2002 verendeten knapp 22 000 Tiere, 1988 waren es rund 18 000. Mit einem solchen Ausmaß rechnet Expertin Diederichs aktuell nicht. "Es kann aber trotzdem sein, dass 1000 Tiere betroffen sein werden", sagt Diederichs.

An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste leben aktuell 12 000 Seehunde. "Der Bestand ist in den vergangenen Jahren beständig gewachsen", so Diederichs. "Der jetzige Husten kann verschiedene Ursachen haben, das Staupevirus ist nur eine."

Die Seehundstaupe kann binnen zwei Wochen zum Tod führen. Sie wird von einem Virus verursacht, das dem Erreger der Hundestaupe ähnelt. Es schwächt das Immunsystem der Tiere und macht sie so anfällig für Infektionen wie Lungenentzündung. Husten, Atemnot und Fieber sind typische Symptome.

Der Virus ist für Menschen ungefährlich - trotzdem sollte man Abstand halten

Schadstoffe wie Blei, Quecksilber oder Cadmium, die über die Flüsse in die Nordsee gelangen, erhöhen zudem die Anfälligkeit für Infektionen. Es gibt zwar einen Impfstoff. Damit Tausende Seehunde zu behandeln, gilt in der Praxis jedoch als aussichtslos. Für Menschen ist das Virus ungefährlich, trotzdem sollen Spaziergänger Abstand halten, wenn sie tote oder kranke Tiere am Strand finden.

Die Fachleute hoffen nun auf genauere Erkenntnisse über die Ursache des Seehundsterbens. An diesem Freitag sollen erste Ergebnisse der Untersuchungen der Kadaver vorliegen.

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: