Terrorismus:Offene Fragen nach Westgate-Terrordrama

Nairobi (dpa) - Einen Tag nach dem Ende des Terrorangriffs in Nairobi bleibt die Zahl der Opfer weiter unklar. In dem Gebäude sollen noch immer Leichen unter Trümmern liegen. Internationale Forensiker suchen nach Hinweisen - vor allem auf die Identität der Täter.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Nairobi (dpa) - Einen Tag nach dem Ende des Terrorangriffs in Nairobi bleibt die Zahl der Opfer weiter unklar. In dem Gebäude sollen noch immer Leichen unter Trümmern liegen. Internationale Forensiker suchen nach Hinweisen - vor allem auf die Identität der Täter.

Kenia sucht nach Antworten auf viele offene Fragen. Vor allem die genaue Zahl der Opfer war zunächst weiter unklar. Experten durchkämmten das teilweise eingestürzte Einkaufszentrum Westgate, um mögliche weitere Leichen unter den Trümmern zu bergen.

Zu den Forensikern, die die kriminaltechnischen Untersuchungen aufnahmen, gehörten auch Spezialisten aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Kanada und Israel, sagte Innenminister Joseph Ole Lenku am Nachmittag.

Bei dem Überfall in der kenianischen Hauptstadt, zu dem sich die somalische Islamisten-Miliz Al-Shabaab bekannte, waren mindestens 72 Menschen ums Leben gekommen. Wie viele Menschen noch vermisst werden, war zunächst nicht klar. "Ich konnte überall Leichen sehen, auch Leichen ganz junger Kinder. Die Angreifer waren unglaublich brutal", sagte der Anwalt Ngugi Mwangi, der den Islamisten entkommen konnte. Lenku betonte aber, es seien kaum noch Tote in Westgate gefunden worden.

Derweil versuchten die Menschen in Nairobi, ihr Alltagsleben wieder aufzunehmen. Die meisten Geschäfte wurden geöffnet, jedoch war die Angst überall spürbar. Viele Einwohner versuchten, vor Einbruch der Dunkelheit ihre Häuser zu erreichen. "Aber wenn wir jetzt damit beginnen, Supermärkte und Einkaufszentren zu meiden, dann haben die Terroristen gewonnen", sagte ein Geschäftsmann.

Die Überlebenden sind hingegen völlig traumatisiert, weil sie die schrecklichen Bilder des Massakers nicht vergessen können. "Seit der Attacke fange ich bei der kleinsten Aufregung an zu schreien", sagte eine Mutter, die zusammen mit ihrem Sohn gerettet wurde. Zahlreiche Helfer waren im Einsatz, um den Betroffenen bei der Verarbeitung des Erlebten zu helfen.

Die Polizei teilte mit, dass an allen Grenzen des Landes verstärkt kontrolliert werde, um die Einreise weiterer Attentäter zu verhindern. Offenbar hatte die Al-Shabaab bereits Mitte Juli über den Kurznachrichtendienst Twitter mitgeteilt: "Wir bereiten einen spektakulären Anschlag mit mehr als 50 Toten in Kenia und Somalia vor." Warum die Drohung nicht ernst genommen wurde, ist unklar. Die Gruppe droht dem Nachbarland mit weiteren Terrorakten. Sie fordert den Abzug der kenianischen Soldaten aus Somalia.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den am Dienstagabend beendeten Überfall aufs Schärfste. "Das ist eine entsetzliche terroristische Tat", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Angriff habe nicht Kenia alleine gegolten. Dort waren auch Franzosen, Briten, Kanadier, Südafrikaner und US-Amerikaner getötet worden.

Die Forensiker in Nairobi wollen auch die Identität der Angreifer klären. Offenbar waren mehrere von ihnen ebenfalls unter den Trümmern verschüttet worden. Vermutlich zehn Täter seien bei Schusswechseln mit den Spezialeinsatzkräften ums Leben gekommen, erklärte Innenminister Lenku. Zehn Verdächtige, die in Zusammenhang mit der Tat stehen sollen, seien festgenommen worden. Das britische Außenministerium bestätigte Medienberichte, wonach auch ein Brite in Nairobi festgenommen wurde.

Kenias Außenministerin Amina Mohamed hatte zuvor betont, auch zwei oder drei junge Amerikaner im Alter von etwa 18 und 19 Jahren zählten zu den Angreifern. Zudem soll die international gesuchte britische Terroristin Samantha Lewthwaite Berichten zufolge zu den Drahtziehern gehören. Die 29-Jährige ist die Witwe eines der Selbstmordattentäter, die für die Anschlagsserie in London im Jahr 2005 verantwortlich waren. Dabei waren mehr als 50 Menschen getötet und mehr als 700 verletzt worden.

Al-Shabaab dementierte, dass Frauen an der Attacke beteiligt waren. "Wir haben eine angemessene Anzahl junger Männer, die unserer Sache verpflichtet sind. Wir setzen unsere Schwestern nicht bei solchen militärischen Operationen ein", teilte die Gruppe mit.

Präsident Kenyatta, der eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen hatte, berief eine Sondersitzung des Kabinetts und des Nationalen Sicherheitsrates ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Dabei soll unter anderem über eine Anti-Terror-Strategie beraten werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: