Terrorismus:Kontaktmann Amris nach Anschlag als «Gefährder» eingestuft

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Die Pistole von Anis Amri, dem Attentäter vom Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin, aufgenommen während einer Untersuchung der italienischen Polizei in Rom. (Foto: Andrew Medichini)

Karlsruhe/Berlin (dpa) - Der Terroranschlag von Berlin wirft weiter viele Fragen auf. Die Ermittlungen konzentrieren sich vor allem auf die Suche nach möglichen Mitwissern oder Helfern des tunesischen Attentäters Anis Amri.

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Karlsruhe/Berlin (dpa) - Der Terroranschlag von Berlin wirft weiter viele Fragen auf. Die Ermittlungen konzentrieren sich vor allem auf die Suche nach möglichen Mitwissern oder Helfern des tunesischen Attentäters Anis Amri.

Der am Dienstag in Berlin festgenommene Landsmann Amris sei nach dem Anschlag vom 19. Dezember als „Gefährder“ eingestuft worden, berichten „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR. Der 26-Jährige, der am Vorabend der Bluttat mit Amri in einem Restaurant zu Abend gegessen hatte, werde der radikal-salafistischen Szene zugeordnet.

Gegen den Mann war am Mittwoch Haftbefehl ergangen - allerdings nur wegen des Verdachts auf Betrug beim Bezug von Sozialleistungen. Der Tunesier wird verdächtigt, von Amris Plänen für den Anschlag gewusst zu haben, bei dem zwölf Menschen getötet wurden. Die Anhaltspunkte reichten aber „derzeit nicht für einen dringenden Tatverdacht aus“, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, am Mittwoch.

Der 26-Jährige war im November 2015 schon einmal in Berlin festgenommen worden. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte der RBB-Abendschau, gegen den Tunesier sei wegen einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt worden. Er habe damals gemeinsam mit zwei weiteren Männern im Verdacht gestanden, Sprengstoff für einen Anschlag in Düsseldorf besorgt zu haben. Dafür habe man jedoch keine Beweise gefunden.

Amri ist den deutschen Behörden unter 14 verschiedenen Identitäten bekannt gewesen. Das geht aus einem Bericht des nordrhein-westfälischen Landeskriminaldirektors Dieter Schürmann vor dem Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags hervor.

In einer Sondersitzung des Ausschusses schilderte Schürmann am Vormittag die Bemühungen der Behörden, dem Tunesier Vorbereitungen eines terroristischen Anschlags nachzuweisen. Am Ende sei es allen Behörden von Bund und Ländern auch gemeinsam nicht gelungen, ausreichend konkrete Hinweise zusammenzutragen, die von der Justiz als Tatverdacht hätten gewertet werden können, sagte er. Dabei hätten die Ermittler „alle rechtlichen Befugnisse bis an die Grenze ausgeschöpft, um mögliche Gefahren abzuwehren“.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) verteidigte das Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Trotz einer „durchgehenden, engmaschigen Beobachtung“ hätten den Behörden des Bundes und der Länder keine konkreten Hinweise vorgelegen, die auf einen Terroranschlag hinwiesen, bekräftigte Jäger in der Sondersitzung des nordrhein-westfälischen Innenausschusses.

In Amris Fall Amri haben die Behörden keine Möglichkeit gesehen, den Mann bis zu seiner Abschiebung in Haft zu nehmen. Diese Option sei im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern verworfen worden, sagte Burkhard Schnieder, Abteilungschef für Ausländerangelegenheiten im NRW-Innenministerium. Man hätte dafür „gerichtsverwertbar“ nachweisen müssen, dass eine konkrete Gefahr von Amri ausgehe, nachdem der Asylantrag des Tunesiers abgelehnt wurde. Das sei aber damals nicht die Einschätzung der Sicherheitsbehörden gewesen.

Alle Versuche, den späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter in sein Heimatland abzuschieben, seien gescheitert. Das Ausländerrecht habe sich im Fall Amri als „stumpfes Schwert“ erwiesen, sagte der Ministeriumsvertreter. Ein „Grundproblem“ sei: Tunesien habe sich über Monate geweigert, Amri als eigenen Staatsbürger anzuerkennen. Die für eine Abschiebung erforderlichen Papiere aus Tunesien seien erst einige Tage nach dem Attentat in NRW eingetroffen. 

Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert und zwölf Menschen getötet. Eine Ausländerbehörde in Nordrhein-Westfalen war für den Tunesier zuständig. Amri bewegte sich aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland. Mehrere Sicherheitsbehörden hatten ihn schon lange als islamistischen Gefährder eingestuft.

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