Interview mit Sophie Hunger:"Oh Seferovic, wie schön du bisch!"

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Die Schweizer Sängerin Sophie Hunger lebt in Berlin-Kreuzberg. Dort hat sie auch den Achtelfinal-Sieg der Schweiz gegen Frankreich im Elfmeterschießen verfolgt. (Foto: Nadia Tarra)

Der Schweizer Torwart Yann Sommer hat nach dem Sieg gegen Frankreich vorgeschlagen, das Spiel mit Robert de Niro zu verfilmen. Und wie müsste der Soundtrack dazu klingen? Die Sängerin Sophie Hunger hätte da ein paar Ideen.

Von Martin Zips

Der Schweizer Fußball-Nationaltorwart Yann Sommer hat in einem Interview nach dem Sieg im EM-Achtelfinale vorgeschlagen, das Spiel gegen Frankreich mit Robert De Niro zu verfilmen. Gute Idee. Und wer könnte den Soundtrack dazu liefern? Die SZ hat schon mal prophylaktisch die Schweizer Sängerin Sophie Hunger, 38, angefragt, die eine ausgewiesene Fußballexpertin ist.

SZ: Frau Hunger, wo und wie haben Sie den Sieg der Schweiz gegen Frankreich im Elfmeterschießen erlebt?

Sophie Hunger: Im Schweizer Restaurant "Schwarze Heidi" in Berlin-Kreuzberg, umgeben von einer Horde Auslandschweizern und einem kleinen Tisch Franzosen. Jennifer, das ist die Wirtin der "Schwarzen Heidi", hat nach jedem Tor Appenzeller Schnaps offeriert. Es entstand dort während ein paar Stunden das Tor zum Glück.

Haben Sie bei der "Schwarzen Heidi" eine Maske getragen?

Nein, die "Schwarze Heidi" hat alle Tische und den Fernseher draußen auf dem Gehsteig aufgebaut.

Ah. Es heißt ja, der Kommentator des Schweizer Fernsehens habe vor Anspannung während der Partie seinen Stuhl zerbrochen. Ging es Ihnen ähnlich?

Oh ja. Tatsächlich habe ich mir gestern zwei kleine Zehen am rechten Fuß gebrochen. Beim Hinabsteigen von einem improvisierten Rednerpult. Sehr schmerzhaft. Außerdem habe ich vom vielen Rumbrüllen meine Stimme verloren, das ist blöd, denn am Samstag spiele ich ein Konzert in Frankreich. Man stellt fest: Es ist nicht leicht, zu den Siegern zu gehören.

Welche anderen Fußballspiele haben Sie in Ihrem Leben bisher ähnlich bewegt?

Keines. Es gab aber einen ähnlichen Moment, nämlich als Georges Bregy 1994 beim Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft gegen Amerika nach 30 Minuten einen Freistoß verwandelte. Das waren aber nur wenige Minuten der Träumerei, bevor dann die Realität einkehrte.

Was bedeutet Ihnen dieser Sport insgesamt?

Ich finde den modernen Fußballkapitalismus zum Kotzen. Der Moment aber, wenn der Ball rollt und das Spiel läuft, na ja, da zieht es mir den Ärmel rein, wie man in der Schweiz so sagt. Es ist eine Liebe, die von Widersprüchen lebt.

Viele der Schweizer Nationalspieler sind bei deutschen Vereinen unter Vertrag. Wieso fallen die dort nie besonders auf?

Wir Schweizer sind nur in der Gruppe stark.

Jahrelang hieß es, der Schweizer Yann Sommer sei zu klein für einen großen Torwart. Aber gegen Frankreich war er groß genug. (Foto: Jean-Christophe Bott/dpa)

Ihr Torwart Yann Sommer hat vorgeschlagen, dieses Spiel mit Robert De Niro zu verfilmen. Wir haben De Niro kontaktiert, bisher hat er sich nicht zurückgemeldet. Was halten Sie von Sommers Idee?

Es ist im Lichte seiner Leistung gestern eine durchaus angemessene Aussage. Und ein guter Schauspieler kann jede Rolle spielen. Ich finde nicht, dass De Niro zu alt ist.

Würden Sie denn den Soundtrack zu diesem Film beisteuern? Wie müsste sich dieser anhören?

Es wären viele Chorstellen mit "Call and Response"-Mustern. So zum Beispiel: "Glaubed mir a sie? Ja, mir glaubed a sie!", "Oh Seferovic, wie schön du bisch, wie schön du bisch", "Mir sind us Granit". Solche Dinge. Das könnte gehen.

Gäbe es eine Möglichkeit, auch Sie als Frau in diesem Film zu besetzen?

Sicher. Klassisch sexistisch käme da allerdings nur die Rolle von Yann Sommers Frau infrage, die vor wenigen Tagen ein Mädchen gebar.

Welche EM-Fußballkommentatorinnen finden Sie richtig gut?

Das haben wir in der Schweiz noch nicht. In der Schweiz wird das vermutlich erst mit dem Beitritt zur Europäischen Union eingeführt.

"Er verwandelt schlecht versteckten Rassismus in fußballerische Zauberkräfte", sagt Sophie Hunger über Granit Xhaka. (Foto: Marko Djurica/dpa)

Welche Schauspieler müssten außerdem für die Verfilmung engagiert werden?

Es müssten bis auf wenige Ausnahmen Schauspieler mit Migrationshintergrund sein. Für Granit Xhaka zum Beispiel, das ist ein außergewöhnlicher Spieler. Intelligent, hingebungsvoll und verwegen. Er erzwingt die Welt. Er wird von kleinlichen Schweizern kritisiert für seine Frisur und sein Auto. Ihrer Meinung nach sollte er zu Fuß gehen, angepasst sein, klar sichtbar die Nationalhymne singen, am besten mit einer Träne im Auge, ewig demütig und dankbar. Das ist er aber nicht. Er nimmt ihren schlecht versteckten Rassismus und verwandelt ihn in fußballerische Zauberkräfte, er spielt für sie aus seinem Herzen. Er ist aus Granit, wie das Alpenmassiv. Er ist unser Traum.

Sie sind mit dem früheren französischen Fußballspieler Éric Cantona gut bekannt. Wie hat er dieses Spiel erlebt? Hatten Sie schon Kontakt?

Nein. Funkstille.

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