Die Mörder kamen mit einem Mercedes. Sie waren zu dritt. Einer am Steuer, zwei, die ausstiegen und mit gezogenen Waffen auf ihr Opfer zuliefen. Am helllichten Tag, auf einer belebten Straße in einer Wohngegend in Malmö. Das Opfer war eine 31-jährige Frau, die vor ein paar Monaten Mutter geworden war. Eine junge Ärztin, sie hatte vor Kurzem ihren Abschluss gemacht. Und sie hielt ihr Baby im Arm, als die Mörder ihr mehrfach in den Kopf schossen. Mehrere Passanten wurden Zeugen der Tat am Montag, einige filmten sie. Ein Zeuge, sagt die Polizei, habe den Schützen direkt ins Gesicht gesehen, während sie schossen.
In den frühen Morgenstunden des Mittwochs wurde im Stockholmer Stadtteil Råcksta eine 18-jährige Frau durch das Fenster ihres Apartments erschossen. Schweden wird seit vielen Jahren immer wieder von Wellen der Bandenkriminalität heimgesucht, mit Schießereien und Bombenexplosionen. Und immer wieder ist es die südschwedische Stadt Malmö, in der Menschen sterben. Aber die Gewalttat diese Woche hat das Land in besonderer Weise schockiert. Eine junge Frau, eine Mutter gar, die mit ihrem Kind in den Armen das Opfer von Killern wird, das hat es bislang nicht gegeben.
"Feige und verabscheuungswürdige Bestien"
König Carl Gustaf und Kronprinzessin Victoria ließen sich im Palast von der Polizei über die Ermittlungen informieren. Annie Lööf, die Vorsitzende der Zentrumspartei, sprach von einer "völligen Dunkelheit", in der das Verbrechen noch den letzten Respekt vor der menschlichen Würde verloren habe. Der sozialdemokratische Justizminister Morgan Johansson nannte die Täter "feige und verabscheuungswürdige Bestien", die man "bis zum Ende der Welt" jagen werde, eine Wortwahl, für die er auch kritisiert wurde. Innenminister Mikael Damberg reiste an den Tatort. "Das ist eines der größten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit", sagte der Sozialdemokrat. Die Welle der Gewalt erinnere ihn an die 1990er-Jahre. Schweden sei eigentlich ein sicheres Land für die Bürger, die sich nicht in kriminellen Kreisen bewegten. Ein Mord wie der vom Montag in einer belebten Wohngegend aber zeige, dass die Gewalt "nun näher an die gewöhnlichen Bürger heranrückt", sagte er. "Wir haben eine hohe Frequenz von Schießereien und tödlicher Gewalt in Schweden. Es ist einfach zu viel und zu schrecklich."
Ein 19-jähriger Verdächtiger wurde festgenommen, aber noch weiß man kaum etwas über die Hintergründe der Tat. Schwedische Zeitungen berichteten, der Partner der erschossenen jungen Mutter sei 2008 an einem Raubüberfall in Brøndby beteiligt gewesen, für den er zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Es gab Spekulationen, wonach eigentlich er das Ziel gewesen sei, die Zeitung Sydsvenskan berichtete unter Berufung auf Polizeikreise auch von Verbindungen möglicher Täter zur Drogenszene in Helsingborg. Nichts von dem ist bestätigt. Der Polizeichef von Malmö, Stefan Sintéus, erklärte nach dem Besuch des Ministers, er habe das Gefühl, die Forderungen der Polizei nach besserer Ausrüstung und leichterem Zugriff auf elektronische Datenträger fänden nun erstmals Gehör. Ein Polizeisprecher sagte: "Das ist nicht das erste Mal, dass wir diese Wünsche geäußert haben. Das Verbrechen und die Welt da draußen ändern sich weit schneller, als wir mit ihnen Schritt halten können."
Rufe nach politischem Handeln werden lauter
Vor allem über die Verbrechensstatistiken wird nun diskutiert. In Malmö ist die Zahl der tödlichen Schießereien zuletzt sogar zurückgegangen. In diesem Jahr wurden bislang drei Menschen in der Stadt erschossen, im gesamten letzten Jahr waren es zwölf gewesen bei insgesamt 47 Schießereien. In Stockholm allerdings sieht es anders aus. Die Stadt hat in diesem Jahr schon 14 Tote durch Schießereien zu beklagen, 2018 waren es elf gewesen. Ein großes Problem dabei ist offenbar, dass bei Bandenkriminalität die Aufklärungsraten sehr niedrig sind. "Wenn acht von zehn Fällen aufgeklärt würden, dann sähen wir bestimmt viel weniger solche Schießereien", sagte der Kriminologe Sven Granath der Zeitung Dagens Nyheter. "Aber heute ist es vielleicht einer von vier."
Die Rufe nach politischem Handeln werden lauter. In Malmö gründeten junge Mütter diese Woche die Gruppe "Aufstand der Mütter". "Wir müssen uns unsere Stadt wieder holen", sagte Sandra Lundin, ein Mitglied der Gruppe, der Zeitung Sydsvenskan : "Die Politiker müssen uns sehen und uns zuhören."