Winter und Corona:Schnee, Mann!

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Schneemann oder Schneefrau? Zwei Figuren in Rom. (Foto: imago stock/imago stock&people)

Einst bedrohlicher Charakter, heute guter Freund: Wie sich die Wahrnehmung des Schneemenschen verändert hat.

Von Martin Zips

In Familien, in denen das Thema Diversität besonders ernst genommen wird, spricht man neuerdings vom "Schneemenschen". Weil Schneemann ein zu männlicher Blick auf die Figur sei, so heißt es. Der wohl wunderbarste Schneemensch dürfte jener sein, den sich einst "Der kleine Maulwurf" baute. In einem dieser großartigen Kurzfilme, die der tschechische Trickfilmer Zdeněk Miler einst ersann. An den Film sei dieser Tage noch einmal erinnert. Nicht nur, weil der im Jahr 2011 gestorbene Zeichner am 21. Februar seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, auch, weil es gerade da und dort wieder recht heftig schneit (bevor es später regnen soll).

Gut gelaunter Schneemensch 2018 in Venedig. (Foto: imago /Italy Photo Press)

Das Zeit-Magazin hat dieser Tage festgestellt, dass vor allem jene Schneemenschen, welche aktuell auf Instagram zu sehen sind, erschreckend winzig und mager wirken. Das könne mit dem Klimawandel zu tun haben, so meinte man. Auch war hier von einer "beschämend niedrigen Schneefrauenquote" die Rede. Tatsächlich ist die Geschichte der Schneefigur insofern interessant, als dass sie bereits im Jahr 1380 erstmals als Illustration auftauchte, in einem Gebetsbuch. Dort ist sie schmelzend zu sehen, über dem Feuer.

Für das Jahr 1408 ist ein Tagebucheintrag eines Weinhändlers aus Florenz belegt, der sich mit der Errichtung gleich zweier, mehr als einen Meter hohen Schneefiguren brüstet. Erste "Skulpturenfestivals" sind seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Im Jahr 1511 sollen - nach kräftigen Niederschlägen in Brüssel - mehr als hundert Schneefiguren die dortigen Straßen flankiert haben. Teilweise in pornographischen Posen.

Schneemensch oder Yeti? Gravur aus dem Jahr 1890. (Foto: imago/Leemage)

In den Buch-Illustrationen des 19. Jahrhunderts wirken Schneemenschen meist grimmig und böse. Winter, das war in diesen Tagen quasi ein Synonym für Tod. Erst später, da Holzöfen und Elektrizität selbst in die hintersten Täler einzogen, verlor die Kälte an Schrecken. Ja, Kinder durften sich aus der Küche sogar eine Mohrrübe als Schneemann-Nase holen und Kohle für Gesicht und Gewand.

Der Schneemann mit Maske (hier in Istanbul) hat sich international durchgesetzt. (Foto: MURAD SEZER/REUTERS)

In Zdeněk Milers Film setzt der kleine Maulwurf seiner - übrigens auffallend geschlechtslosen - Schneefigur am Ende eine Schüssel als Hut auf. Kein Problem, der Maulwurf verfügt sogar über ein Telefon in seinem Erdhügel. Mit dem ruft er auch gleich die Rettung, als die Sonne seinen Freund bedroht. Die Rettung bringt die beiden zur Gondelbahn. Oben, auf dem Berg, kann der Schneemensch weiterleben. Erst im kommenden Winter kehrt er wieder zu seinem Freund ins Tal zurück.

Es lebe der Schnee! Es lebe die moderne Kommunikation sowie die touristische Erschließung eisiger Höhen! Vor allem aber lebe: die Freundschaft. Die rettet einen selbst durch den Lockdown. Völlig wurscht, was für eine Figur man ist.

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