Russland:"Islamischer Staat" reklamiert Angriff in Moskau für sich

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Die "Crocus City Hall" in Krasnogorsk bei Moskau steht in Flammen. (Foto: Maxim Shemetov/REUTERS)

Videos zeigen militärisch gekleidete Menschen, die in einem Veranstaltungsgebäude um sich schießen, es bricht Feuer aus. Die Rede ist von Dutzenden Toten und mehr als 100 Verletzten.

Von Juri Auel, Friedrich Bungert und Kassian Stroh

In einem Veranstaltungszentrum nahe Moskau haben am Freitag Bewaffnete um sich geschossen, Teile des Gebäudes sind in Flammen aufgegangen. Laut dem Staatliche Ermittlungskomitee Russlands sind mehr als 60 Menschen getötet und fast 150 verletzt worden. Der Extremisten-Miliz "Islamischer Staat" (IS) bekannte sich zu dem Angriff. Eine entsprechende Botschaft wird über den Telegram-Kanal der Islamisten verbreitet. Terrorismus-Experten wie der Deutsche Forscher Peter Neumann vom King's College in London halten das Schreiben für echt.

Die Zahl der Toten könnte noch steigen. Das Gesundheitsministerium der Moskauer Region sagte, 60 der Verletzten seien in einem ernsten Zustand. Unter den Verletzten seien auch mindestens acht Kinder, hieß es.

Bei den Tätern habe es sich um mindestens drei Personen in Tarnkleidung gehandelt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA. Sie seien mit automatischen Waffen in das Erdgeschoss der "Crocus City Hall" gestürmt und hätten das Feuer eröffnet. Der Agentur zufolge konnten sie vermutlich zunächst entkommen.

Auf Videos, die die Szenerie aus mehreren Perspektiven zeigen, sind sogar vier Menschen zu sehen, militärisch gekleidet, die im Inneren des Gebäudes mit einer Schrotflinte und Sturmgewehren auf Menschen schießen. Das russische Außenministerium spricht von einem Terroranschlag, das zentrale Ermittlungskomitee des Landes hat ein entsprechendes Ermittlungsverfahren aufgenommen.

Die ebenfalls staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete eine Explosion in dem Gebäude, Videos zeigten kurz nach Bekanntwerden der Tat das Gebäude in Vollbrand und dichten Qualm. Andere Medien berichteten, das Dach des Veranstaltungszentrums sei eingestürzt. Bei den Opfern soll es sich um Mitarbeiter und Besucher handeln.

Tass berichtete zunächst, dass Sicherheitskräfte 100 Menschen aus dem Gebäude gebracht hätten, dass aber weiter viele darin eingeschlossen seien und andere auf dem Dach auf Hilfe warteten. Auch Soldaten seien an dem Veranstaltungszentrum im Einsatz. Ein russischer Abgeordneter teilte in der Nacht mit, die Nationalgarde werde wieder von der Halle abgezogen. Sie habe das Erdgeschoss, die erste Etage und das unterirdische Parkhaus durchsucht.

Sicherheitskräfte im Einsatz vor der Halle. (Foto: IMAGO/Maksim Blinov/IMAGO/SNA)

Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, untersagte am Abend weitere Großveranstaltungen: Alle Sport-, Kultur- und sonstigen Veranstaltungen seien abgesagt worden für das Wochenende, teilte er in seinem Telegram-Kanal mit. Er bitte um Verständnis für die Maßnahme. Laut Tass wurden auch die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen und Bahnhöfen der Hauptstadt verstärkt.

Die "Crocus City Hall" steht an der Moskwa in Krasnogorsk, einer Stadt direkt am nordwestlichen Stadtrand von Moskau.

Vor dem Bekenntnis des IS stand die Frage im Raum, ob die Ukraine etwas mit dem Angriff zu tun haben könnte. Kiew verneinte dies. "Die Ukraine steht in absolut keiner Beziehung zu den Vorgängen", betonte Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidentenbürochefs Andrij Jermak, in einer Videobotschaft bei Telegram. Die ukrainische Nachrichtenseite Ukrajinska Prawda wiederum zitierte einen Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes mit den Worten, es handele sich um eine "bewusste Provokation" durch russische Sondereinheiten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Präsident Wladimir Putin sei von Anfang an über die Ereignisse informiert worden.

Ein Paar nahe der "Crocus City Hall" am nordwestlichen Stadtrand Moskaus. (Foto: Dmitry Serebryakov/dpa)

Die Chefin des russischen Oberhauses droht Vergeltung an

Das Auswärtige Amt kondolierte den Familien der Opfer und sprach von einem "furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen". Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden, schrieb es auf dem Kurznachrichtendienst X. Auch die Witwe des verstorbenen russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, Julija Nawalnaja, sprach den Familien der Opfer ihre Anteilnahme aus. Sie lebt im Exil; ihr Mann war erst vor wenigen Wochen in einem russischen Straflager gestorben.

Die Vorsitzende des Föderationsrats, des Oberhauses des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern mit Vergeltung: "Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten", schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an. Die Regierung kündigte ebenfalls Hilfe an.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters

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