Religion - Schwerin:Langjähriger Landesrabbiner William Wolff gestorben

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Der Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern, William Wolff (M). Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Schwerin (dpa/mv) - Man sah William Wolff oft raschen Schrittes über den Schweriner Marktplatz eilen. Passanten schenkte er stets ein freundliches Lächeln, doch für Gespräche blieb meist wenig Zeit. Termine! Manchmal zu viele, wie er einräumte. Doch könne er so schlecht Nein sagen, begründete Wolff seine Unrast bis ins hohe Alter. Nun ist der langjährige Landesrabbiner Mecklenburg-Vorpommerns im Alter von 93 Jahren in seiner englischen Heimat gestorben - und hinterlässt eine Lücke, nicht nur in jener Stadt, in die er 2002 mit einer Mission gekommen war und der er sich bis zuletzt zugetan fühlte.

"Ich bin ein Schweriner", hatte Wolff 2014 bekannt, als ihm die Landeshauptstadt in Würdigung seiner Verdienste um den Aufbau der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und die Verständigung zwischen Generationen und Religionen die Ehrenbürgerschaft verlieh. Auch in Rostock wurde ihm diese Ehre zuteil, die Neubrandenburger Drei-Königs-Stiftung verlieh ihm den Siemerling-Sozialpreis, und an der Greifswalder Universität wurde er Ehrendoktor. Zeichen großer Wertschätzung für einen Mann, dessen Energie faszinierte und dessen Optimismus ansteckend war, wie auch Bücher und vielbeachtete Dokumentarfilme belegten.

1927 in Berlin geboren, war Wolff im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie vor den Nazis zunächst in die Niederlande und von dort nach Großbritannien geflohen. Auf der Insel war er später als Journalist unter anderem für die Tageszeitung "Daily Mirror" tätig, bevor er sich 1979 für eine Laufbahn als Geistlicher entschied und in England Rabbi wurde. Im Pensionärsalter von 75 Jahren übernahm Wolff im Frühjahr 2002 das ihm angetragene Amt des Landesrabbiners von Mecklenburg-Vorpommern.

Der Aufbau der Jüdischen Gemeinden, deren Landesverband heute mehr als 1200 Mitglieder zählt, ist eng mit seinem stets auf Ausgleich gerichteten Wirken verbunden. Um die vor allem aus ehemaligen Sowjetrepubliken stammenden Gläubigen besser zu erreichen, hatte Wolff auch noch Russisch gelernt. 2015 gab er aus Altersgründen die Aufgaben des Landesrabbiners in jüngere Hände, blieb den Gemeinden aber im Ehrenamt weiter eng verbunden.

Wolff sei am Mittwochmorgen in seinem englischen Heimatort nahe London friedlich eingeschlafen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinden, Valeriy Bunimov. "Wir Jüdinnen und Juden aus Mecklenburg-Vorpommern sind Landesrabbiner William Wolff auf immer dankbar für seine menschliche und aufgeschlossene Art", heißt es in einer Erklärung des Landesvorstandes. Er habe den Menschen, die mehrheitlich erst in Deutschland zu ihren jüdischen Wurzeln hätten finden können, das Judentum nahegebracht, geduldig erklärt und geholfen, die Gemeinden stabil und kräftig für die Zukunft zu machen.

Die Nachricht vom Tod Wolffs löste auch im Zentralrat der Juden und in der Landespolitik Trauer und Betroffenheit aus. "Rabbiner Wolff war eine herausragende Persönlichkeit. Ich habe ihn als Rabbiner, der im besten Sinne als Religionslehrer und Seelsorger für seine Gemeinde immer da war, aber ebenso als Menschen mit großem Wissen und feinem Humor geschätzt", erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Mit Offenheit und großer Erfahrung habe Wolff erheblich zur Verständigung zwischen Juden und Nicht-Juden beigetragen und mit Charme und Humor auch Skeptiker überzeugt.

William Wolff stehe wie kein anderer für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Mecklenburg-Vorpommern, sagte Landtagspräsidentin Birgit Hesse. Er habe stets das Verbindende zwischen den Menschen gesucht und bleibe in Erinnerung als lebensfreudiger Mensch voller Energie. "Sein einmaliger Charme und seine in die Zukunft blickende Art werden uns fehlen", so Hesse.

Ministerpräsident Manuela Schwesig (SPD) würdigte die Leidenschaft, mit der Wolff die jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern aufgebaut und geführt habe. "Als engagierter, kluger und fröhlicher Landesrabbiner hat er einen entscheidenden Beitrag für die Akzeptanz der jüdischen Gemeinden in Schwerin und Rostock geleistet. Zu Recht wurde er zum Ehrenbürger in beiden Städten ernannt", erklärte die Regierungschefin. Wolff bleibe ihr als sehr angenehmer Gesprächspartner in Erinnerung, "der seine Worte wohl durchdachte und seine Taten daran ausrichtete". Das Land habe ihm viel zu verdanken. "Er gab Orientierung und war voller Weisheit. Es war sehr leicht, ihn zu mögen."

Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU) nannte Wolff "einen Segen für Mecklenburg-Vorpommern". Als Landesrabbiner habe er mehr als ein Jahrzehnt lang für das Land unermüdliche Arbeit geleistet und maßgeblich mit dafür gesorgt, dass sich jüdisches Leben wieder etabliere. "Er war ein Mann der Verständigung, des Friedens und der Versöhnung. Er war als Zeitzeuge ein gefragter Gast an Schulen und Universitäten. Er stellte sich Diskussionen zum Antisemitismus. Dabei war sein Blick stets in die Zukunft gerichtet", betonte Hoffmeister.

"Schwerin trauert um einen liebenswerten, gütigen Menschen und eine große Persönlichkeit, die sich als Landesrabbiner insbesondere um den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden in Schwerin und Rostock verdient gemacht hat", sagte Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD). Sein Lebensmut, seine zutiefst humane Ausstrahlung und sein Lachen seien ansteckend gewesen. Badenschier erinnerte zudem daran, dass sich Wolff auch maßgeblich für den Wiederaufbau der Schweriner Synagoge eingesetzt habe, die 2008 an jener Stelle wieder eingeweiht wurde, an der die 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge stand.

"Mit dem Tod von William Wolff verlässt ein ganz Großer die Bühne", sagte die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Simone Oldenburg. Er werde fehlen - mit seinem unvergleichlichen Charme, seinem Witz und großen Intellekt. "Wir trauern um einen Philanthropen und Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts und verneigen uns vor einem Mann, der sich um das jüdische Leben in Deutschland und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern verdient gemacht hat wie kein Zweiter."

Auch die Grünen-Landesvorsitzende Ulrike Berger würdigte das Wirken Wolffs: "Er hat die jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern aufgebaut und mit seiner Art, Weisheit und seinem Humor maßgeblich den interreligiösen Dialog im Land gepflegt." Mit Rabbi Wolff sei zudem ein Zeitzeuge gestorben, der eindrücklich von der Judenverfolgung im Dritten Reich habe berichten können.

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