Berlin:Prozess um Mord im Kleinen Tiergarten: „Hinrichtung“

Lesezeit: 3 min

Beamte der Spurensicherung sichern in einem Faltpavillon Spuren an einem Tatort im Kleinen Tiergarten. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Im Prozess um den mutmaßlichen Mord im Auftrag Russlands im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit hat ein Zeuge das Verbrechen als eine Art Hinrichtung...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa) - Im Prozess um den mutmaßlichen Mord im Auftrag Russlands im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit hat ein Zeuge das Verbrechen als eine Art Hinrichtung geschildert. Zudem habe der Täter ausgesehen, als habe er eine auffällige Perücke getragen.

„Wenn ich auf jemanden schieße, der auf der Erde liegt, und dann noch in den Hinterkopf, dann nenne ich das eine Hinrichtung. Der wollte auf Nummer sicher gehen“, sagte der 64-jährige Mann, der die Tat mit ansah, als dritter Zeuge am Dienstag im Kammergericht. Er hielt den Täter für eine Frau. „Ich dachte im ersten Augenblick, es wäre eine Frau mit langen schwarzen Haaren, wie bei einer Karnevalsperücke. Das Gesicht sah aus wie schwarz geschminkt.“ Er habe das Gesicht des Täters aber nur von der Seite gesehen und keine Gesichtszüge erkannt. Das Gesicht habe „unheimlich geglänzt“ - wie durch Theaterschminke.

Das Opfer der Tat im Park Kleiner Tiergarten in Berlin-Moabit war ein 40-jähriger Georgier tschetschenischer Abstammung. Der mutmaßliche Täter soll ihm laut Anklage einmal in den Rücken und zwei Mal in den Kopf geschossen haben. Kurz nach der Tat wurde er gefasst. Das Opfer hatte im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft und galt dort laut Anklage als Staatsfeind.

Ein anderer Zeuge sprach am Dienstag von einem abgeklärten und ruhigen Täter. „Der wusste, glaube ich, was er tat“, sagte der 41-Jährige am Dienstag im Berliner Kammergericht. „Ich finde es ganz schön abgeklärt, das mitten am Tag zu machen.“ Das Gesicht des Tatverdächtigen habe er aber an dem sonnigen 23. August 2019 nicht deutlich gesehen. Auch eine weitere Zeugin berichtete am dritten Prozesstag, sie habe nur dunkle, unnatürlich wirkende Locken unter einer Kapuze gesehen, aber kein Gesicht erkannt.

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft geschah die Tat im Auftrag staatlicher russischer Stellen. Angeklagt ist ein Russe, der über seinen Anwalt erklären ließ, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Laut Bundesanwaltschaft ist er 55 Jahre alt und hat einen anderen Namen. Er äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.

Der 41-jährige Zeuge war nach eigenen Angaben zuvor als Schöffe im Gericht gewesen und zusammen mit anderen Schöffen auf dem Weg zum Mittagessen, als er einen Knall hörte und sich umdrehte. In etwa 20 Meter Entfernung sah er einen Mann auf dem Bauch auf dem Weg liegen. Daneben stand ein weiterer Mann und richtete eine Pistole auf den Kopf des Opfers. „Er hat noch einmal abgedrückt.“ Danach sei der Schütze ruhig mit einem Fahrrad weggefahren. „Hektisch war er auf jeden Fall nicht.“

Der Zeuge schilderte zunächst, der Täter habe ein dunkles Gesicht gehabt und eine Perücke mit langen Haaren getragen. Ein Verteidiger wies darauf hin, dass der Zeuge kurz nach der Tat bei der Mordkommission ausgesagt habe, er habe das Gesicht des Täters „überhaupt“ nicht gesehen. Auch habe er nur von langen, welligen Haaren und nicht von einer Perücke gesprochen. Der Zeuge sagte daraufhin, er könne das nicht erklären. „Das mit der Perücke stand ja nachher dauernd in der Presse.“

Eine 53-jährige Zeugin, ebenfalls Schöffin, sagte, zuerst habe es schnell hintereinander zwei dumpfe Geräusche gegeben und dann - mit etwas Abstand - einen weiteren Knall. Der stehende Mann habe einen länglichen Gegenstand in der Hand gehalten, möglicherweise eine Pistole mit Schalldämpfer. „Es sah aus wie in Filmen.“

Über den Schützen sagte sie: „Er hatte so einen Hoodie auf, mit Kapuze. Da kamen so dunkle Locken raus, die glänzend und unnatürlich aussahen.“ Sie habe auch so etwas wie dunkle Haut und einen Vollbart gesehen. Der Richter zitierte aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung, bei der die Zeugin von Haaren wie bei dem Fußballer Diego Maradona gesprochen hatte.

Die Frau zeigte auf einem projizierten Satellitenbild mit einem Laserpointer sehr genau, wo sie mit den anderen Schöffen entlangging und wo sich die Tat ereignete. Sie habe sofort große Angst gehabt. „Ich bin nur gerannt.“ Das Erlebnis wirke bis heute nach. „Das verändert einen Menschen. Man ist viel vorsichtiger und sucht und schaut immer.“

Der Prozess wird an diesem Mittwoch (28.) fortgesetzt, geplant war die Vernehmung zweier weiterer Zeugen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: