Statistik:Mehr Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen im Norden

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Sabine Sütterlin-Waack (CDU), Ministerin für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport, spricht während der Landtagssitzung im Landeshaus. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Die Kriminalität in Schleswig-Holstein ist 2023 nur auf den ersten Blick gesunken, denn ein großer Betrugsfall verzerrt die Statistik. Vor allem die Zahl von Tätern unter 21 Jahren ist gestiegen.

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Kiel (dpa/lno) - Ein einzelnes großes Betrugsverfahren im Jahr 2022 hat 2023 zu einem deutlichen Absinken der Kriminalitätsfälle in Schleswig-Holstein geführt. „Im Vergleich zum Jahr 2022 haben wir 2023 eine deutliche Abnahme der Fallzahlen um 11,3 Prozent auf insgesamt 196.289 Straftaten zu verzeichnen“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik. Der Fall eines Dating-Portals im Internet war 2022 mit 33 738 Opfern zu Buche geschlagen und führte so zu einer Verzerrung der Statistik.

Durch diesen Komplex war die Kriminalität in Schleswig-Holstein 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen - und zwar um 25 Prozent auf 221.183 Straftaten. Ohne dieses Verfahren sei 2023 hingegen eine Zunahme der Fallzahlen um etwa 4,7 Prozent zu verzeichnen. „Im Zehnjahresvergleich war die Kriminalität damit nur im Jahr 2016 und davor höher“, erklärte die Ministerin. Zugleich sei die Aufklärungsquote im vergangenen Jahr auf 55,9 Prozent gesunken - im Vergleich zu 61,1 Prozent im Jahr 2022.

Ferner wies die Ministerin auf eine besorgniserregende Entwicklung bei der Kriminalität unter Jugendlichen und Kindern hin. So habe der Anteil der Tatverdächtigen unter 21 Jahren im Jahr 2023 bei 22,1 Prozent gelegen - ein leichter Anstieg zum Jahr 2022. Zudem hätte sich die Anzahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren auf 3722 im Jahr 2023 erhöht. Dies ist laut Innenministerin ein Zehnjahreshoch. Auch die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren stieg im Vergleich zum Jahr 2022 auf 7209.

„Erklärt werden kann der deutliche Anstieg der Tatverdächtigen aus diesen Altersgruppen sicherlich mit einem gewissen Nachholeffekt im Anschluss an die Coronajahre, in denen die Mobilität und die Teilnahme am sozialen Leben von Kindern und Jugendlichen massiv eingeschränkt waren“, betonte Sütterlin-Waack. Die Prüfung der Ursache müsse zudem mit besonderer Gründlichkeit erfolgen, damit sinnvolle Gegenmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Einen weiteren Anstieg gab es bei Messerangriffen, die seit 2020 bundeseinheitlich erfasst werden. 2023 gab es im Norden 1057 Messerangriffe, 148 mehr als 2022. 9 Menschen wurden getötet, 47 schwer und 285 leicht verletzt. Es gab 1306 Opfer. Rund zwei Fünftel der 962 Tatverdächtigen hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit (40,4 Prozent). Wurden zu einer Straftat aber mehrere Tatverdächtige erfasst, kann derzeit nach Angaben der Ministerin keine Aussage darüber getroffen werden, welcher dieser Tatverdächtigen ein Messer eingesetzt hat. Daher setze sie sich im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür ein, dass es ab 2025 neue Erfassungsmodalitäten für dieses Deliktfeld gebe.

Weitere Anstiege gab es zudem bei Diebstählen, die nach Angaben des leitenden Kriminaldirektors des Landeskriminalamtes Rolfpeter Ott den größten Anteil an der Gesamtkriminalität aufwiesen - und zwar im Jahr 2023 36,6 Prozent aller Delikte. Die Fallzahlen seien bei den Diebstählen zudem im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent auf 71 825 Fälle gestiegen.

Bei der Rauschgift-Kriminalität sind die Fallzahlen hingegen nach dem Zehnjahreshoch im Jahr 2021 zum zweiten Mal in Folge gesunken. So habe es im vergangenen Jahr 10.976 Fälle gegeben - 104 Fälle weniger als im Jahr 2022. Ebenso seien die Verstöße mit Cannabisprodukten mit 6992 Fällen erneut gesunken. „Im Lichte der aktuellen Diskussion um die bevorstehende Legalisierung von Cannabis wird die Entwicklung dieser Zahlen sehr spannend“, sagte Ott.

Der ehemalige Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) zeigte sich vor allem wegen der Zunahme immer jüngerer Täter besorgt: „Wenn schon Kinder und Jugendliche kriminell werden, dann ist das eine Entwicklung, die dringend aufgehalten werden muss.“ Gerade den sehr jungen Tätern müsse deutlich gemacht werden, dass ihre Taten Folgen hätten, auch wenn sie noch nicht strafmündig seien.

„Jeder zehnte Tatverdächtige im Jahr 2023 war minderjährig, jeder Zwanzigste gar noch ein Kind“, betonte auch der Fraktionsvorsitzende der SSW, Lars Harms. Er forderte, dass sich die Gesellschaft gegen die Entwicklung immer jüngerer Täter stelle. „Dabei denke ich nicht an härtere Strafen“, erklärte er. Stattdessen dürften Kinder und Jugendliche gar nicht erst zu Tätern werden, indem die Präventionsarbeit etwa bei der Jugend- und Familienhilfe gestärkt werde.

Die insgesamt sinkenden Fallzahlen der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik täuschten, betonte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Arbeit für die schleswig-holsteinische Polizei habe stark zugenommen - dies machten die bereinigten Fallzahlen deutlich. Besondere Sorge mache der Gewerkschaft die steigende Zahl der Messerangriffe. „Wir müssen die Entstehung einer Messerkultur verhindern“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger. Waffenverbotszonen könnten dabei wirksame Gegenmaßnahmen seien.

© dpa-infocom, dpa:240313-99-327548/8

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