Wie verschafft man renommierten Regisseurinnen doch noch einen großen Auftritt bei den Oscars, auch wenn die Academy sie partout nicht nominieren will? Natalie Portman hat bei der Verleihung einen ungewöhnlichen Weg gefunden: Die Schauspielerin ließ die Namen von aus ihrer Sicht preiswürdigen Filmemacherinnen auf ein schwarzes Cape sticken, das sie auf dem roten Teppich über ihrer Dior-Robe trug. Scafaria (Lorene), Wang (Lulu), Gerwig (Greta), Diop (Mati), Heller (Marielle), Matsoukas (Melina), Har'el (Alma), Sciamma (Céline) - sie alle waren dort in kleinen goldenen Lettern verewigt.
"Ich wollte die Frauen würdigen, die hier trotz ihrer unglaublichen Arbeit nicht gewürdigt werden", sagte Portman auf dem Weg zur Verleihung. Bis auf Gerwig, für "Little Women" immerhin in der Kategorie "Bester Film" nominiert, hatte es bekanntlich keine einzige Frau in die Auswahl für die beste Regie geschafft. Weder war Scafaria für "Hustlers", noch Wang für "The Farewell" berücksichtigt worden, was Kritik eingebracht hatte: Die Oscars seien allzu männlich und allzu weiß.
Durch Portmans Statement waren die Frauen immerhin doch ein bisschen präsent an diesem Abend. Und wer am Ende in der inoffiziellen Kategorie "Best Dressed" abräumte, stand damit auch gleich fest. Gegen solch subtile Sticheleien können all die hübschen, schulterfreien Roben einpacken.
Ein Ende tief ausgeschnittener Roben ist nicht in Sicht
Dass Mode auf dem roten Teppich durchaus politisch sein kann, ist an sich nichts Neues. Vor zwei Jahren erschienen die weiblichen Filmschaffenden beinahe ausnahmslos in Schwarz als Unterstützung für die "Me Too"-Bewegung. Aber wer damals bereits orakelte, das sei das Ende der tief ausgeschnittenen Roben in Bonbonfarben, wurde schon im vergangenen Jahr eines Besseren belehrt.
Auch Anstecknadeln für alle möglichen Belange sind längst ein Standard-Accessoire auf dem roten Teppich, diesmal gab es in Kooperation mit American Airlines ein Abzeichen mit "Women fly beyond". Wer Anzug trägt, wie Jane Fonda Anfang der Siebziger, demonstriert damit immer auch irgendwie gegen die barbieeske Aufmachung der Frau. Die Quote der Hosenbeine war diesmal allerdings verschwindend gering, Portman mit ihrer eingewobenen Kritik ungefähr so repräsentativ wie Frauen in der Kategorie "Best Director".
Zu groß ist die Gefahr, ein Statement könnte am Ende doch zu kontrovers sein. Der rote Teppich der Oscarverleihung ist für die Luxusmarken das wichtigste Werbepflaster des Jahres. Die Risikofreude tendiert da eher gegen null.
Bei Dior allerdings steht erstmals eine Frau an der Spitze des Couture-Hauses: die italienische Designerin Maria Grazia Chiuri. Gleich in ihrer ersten Kollektion hatte Chiuri ein Motto-T-Shirt mit dem Aufdruck "We should all be feminists" über den Laufsteg geschickt, seitdem gilt sie in der Branche als Frauenbeauftragte vom Dienst. Natalie Portmans Mantel dürfte ihr ein persönliches Fest gewesen sein.
Nachhaltigkeit: Großes Thema auf dem roten Teppich
Die übrige Fashionwelt konzentriert sich derweil auf eine andere, vermeintlich sichere Baustelle: Nachhaltigkeit. Schon bei den britischen Filmpreisen Bafta Awards trug die Schauspielerin Saoirse Ronan ein Kleid aus recyceltem Satin von Gucci, diesmal erschienen Léa Seydoux und Kaitlyn Dever aus "Booksmart" in "eco-responsible" Roben von Louis Vuitton, gefertigt aus dem umweltfreundlichen Material Tencel.
Bei den Männern trägt Joaquin Phoenix bereits die gesamte Award-Saison den gleichen Smoking von Stella McCartney - was ihm beziehungsweise McCartney allerdings nicht nur Lob, sondern auf Social Media vor allem Häme einbrachte. Sachen mehrmals tragen, so der allgemeine Tenor, sei keine große Leistung. Das schaffe der Rest der Menschheit auch, sogar ständig. Immerhin scheint ihm das mehrmalige Auftragen Glück gebracht zu haben: Für seine Darstellung in "Joker" räumte er dieses Jahr sämtliche Preise ab, in der Nacht zum Montag auch den Oscar.
Vielleicht also sollte Natalie Portman ihr Cape jetzt einfach ein Jahr lang weitertragen. Sie ist ja nicht nur Schauspielerin, sondern auch Regisseurin.