Orkantief "Xaver" in Hamburg:Eine Katastrophe, die keine war

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Ein Fahrrad steht in Hamburg im Elbwasser am Museumshafen Oevelgönne. (Foto: dpa)

Ein wenig Wasser floss in die Stadt, einige Keller liefen voll, doch ansonsten hat Hamburg den Orkan "Xaver" gut überstanden. Die Deiche hätten sogar noch höheren Pegelständen standgehalten - weil die Stadt aus schlimmen Erfahrungen gelernt hat.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Ein Leck gab es dann doch. Fluttor sechs an den Hamburger Landungsbrücken ließ sich nicht schließen, ein technischer Defekt. Mitten in der Nacht mussten Dammbalken her, das sind lange Planken aus Aluminium, einige Minuten später war das Tor wieder dicht. Ein wenig Wasser ist in die Stadt geströmt. Es floss einfach wieder ab.

Was von Wetterdiensten und Medien als schlimmster Orkan seit Jahrzehnten angekündigt wurde, brachte den Hamburgern in der Nacht von Donnerstag auf Freitag erstaunlich geringe Probleme. Der Wind ließ Bäume umknicken, die Linie U1 zwischen Volksdorf und Großhansdorf wurde gesperrt, Schüler durften zu Hause bleiben. Die steigenden Pegel, die Hauptsorge in einer Wasserstadt wie Hamburg, bereiteten aber erstaunlich wenige Sorgen.

So war die Stimmung am Freitagmorgen kurz vor acht Uhr an den Landungsbrücken ausgesprochen friedlich: In der Nacht hatte es leicht geschneit, die Straßen waren gezuckert. Die Elbe war zwar deutlich über die Ufer getreten, floss jedoch geordnet wieder ab. Ein paar Frühaufsteher hatten sich versammelt, die Feuerwehrmänner machten lustige Sprüche. Nur ein paar Fotografen rangelten um die besten Plätze. Das beliebteste Motiv: die überflutete Fischauktionshalle.

Hamburg ist nicht Passau

Da ist man in Deutschland doch andere Nachrichten gewohnt. Wann immer Flüsse über die Ufer treten, kommt es Katastrophenszenarien gleich, zuletzt beim großen Sommerhochwasser im Süden und Osten Deutschlands, in Passau oder Lauenburg, als Städte binnen Stunden überflutet wurden, tausende Menschen ihre Existenzen verloren. Die Städte sind auf die Wassermassen nicht vorbereitet, müssen dann dafür büßen, dass die Flüsse vor vielen Jahren in ein zu enges Bett gedrängt wurden.

In Hamburg ist das anders. Die Stadt kann mit Sturmfluten umgehen, hat sich auf Ereignisse wie Xaver vorbereitet. Ein paar Mal im Jahr tritt die Elbe über die Ufer, zuletzt im Oktober, als Vorgängersturm Christian für Hochwasser sorgte. Es gibt Gebiete, die dafür vorgesehen sind, das sie überflutet werden: Die Große Elbstraße etwa, an der die Fischauktionshalle steht, wird mit einem großen Fluttor abgeriegelt. Die Menschen hier sind es gewohnt. Auch die Fischauktionshalle, in der am Freitagmorgen zwei Meter hoch das Wasser stand, wird einfach wieder sauber gemacht.

Hamburg hat die zweite Flutwelle gut überstanden, das lässt sich bereits sagen. Eine dritte Welle wird noch folgen, am Freitagabend gegen 18 Uhr, doch die Pegel werden dann mutmaßlich deutlich geringer steigen als am Morgen, als sie erst bei 6,09 Metern Halt machten, dem zweithöchsten Wert der Geschichte der Hansestadt. "Unsere Deiche in Hamburg haben diese Sturmflut sicher bewältigt", erklärte Thomas Butter von der Innenbehörde.

Die Vollsperrung des Hafens ist mittlerweile wieder aufgehoben, auch die Elbfähren sind wieder unterwegs. In der Speicherstadt sind ein paar mehr Keller vollgelaufen als sonst, in Altona mussten Hafenanwohner ihre Häuser verlassen. "Das betrifft aber nur eine Handvoll Leute", sagte Butter. Auch die Feuerwehr zog zufrieden ihre Bilanz: Große Sturmschäden blieben bislang aus.

Die Gelassenheit der Hamburger im Umgang mit dem Wasser hat ihre Gründe, die meisten von ihnen liegen im Jahr 1962, als bei einer schweren Sturmflut 315 Menschen ums Leben kamen. Die Elbe stieg so hoch wie mit dato noch nie in der Stadt, legte gravierende städtebauliche Mängel offen.

Bis 2016 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein

Nach den traumatischen Erlebnissen wurde der Hochwasserschutz komplett überdacht und auf eine neue Stufe gestellt. Mit Erfolg, wie Ereignisse wie Xaver beweisen: Ein neuer Flutwarndienst mit Sitz an den Landungsbrücken wurde eingerichtet, der bei erhöhten Pegelständen erste Warnungen rausgibt. Die Deiche entlang der Elbe wurden seit 1962 erhöht, sind nun überall mindestens 7,60 Meter hoch, an manchen Stellen sogar 9,25 Meter. Im Hafengebiet gibt es zudem 38 Fluttore, die bei Bedarf geschlossen werden können. Sie halten das Elbwasser von den meisten Häusern fern.

Erst 2012 beschloss der Senat um Bürgermeister Olaf Scholz weitere Maßnahmen - aus Sorge, der Klimawandel könnte die Wasserpegel an der Elbe noch weiter steigen lassen. Die Bemessungsstände, also die höchste planmäßig annehmbare Wasserhöhe, wurden erhöht: von 7,30 Meter am Pegel St. Pauli um 80 Zentimeter auf 8,10 Meter. "Hamburg gegen Sturmfluten zu sichern ist eine Schlüsselaufgabe aller Hamburger Senate", sagte die Senatorin Jutta Blankau damals. Bis 2016 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein.

In der Hafencity, Hamburgs neuem Prachtstadtteil auf der Elbe, gab es eine ganz andere Lösung. Deiche hätten rund um die 127 Hektar große Landfläche nicht nur unschön ausgesehen, sie wären zudem sehr teuer gewesen. Also entschieden sich die Planer, die Häuser auf künstlich angelegten Warften zu errichten, eine Art Siedlungshügel, wie man sie von den Halligen an der Nordseeküste kennt. Die sind acht bis neun Meter hoch - ein Niveau, das selbst bei schweren Sturmfluten im Hamburger Hafen nicht erreicht wird.

Am Freitagmorgen machte das Wasser zwei Meter unter diesem Höchstniveau halt. Angespannt war die Lage gewiss, vor allem in der Nacht, jedoch mitnichten dramatisch. Hamburg hätte auch noch weit größere Wassermassen überstanden.

Mit Material von dpa.

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