Michael Maul betreibt seit 20 Jahren die Rheinfähre Michael, zwischen Oestrich-Winkel und Ingelheim bringt er bis zu 600 000 Fahrgäste im Jahr von der einen Flussseite auf die andere. Von Ufer zu Ufer sind es 900 Meter, die breiteste Stelle des Rheins. Zurzeit führt der Fluss wegen der Trockenheit wenig Wasser, er ist an einigen Stellen kaum mehr einen halben Meter tief. Wie kommt man da heil rüber?
SZ: Herr Maul, man konnte zuletzt vom Ufer aus Ungewöhnliches beobachten: Wo sonst Ihre Fähre fährt, stand ein Bagger. Mitten im Flussbett.
Michael Maul: Das war unsere Notfallmaßnahme, ein spezieller Spreizbagger. Man kann mit ihm zwar keine komplette Fahrrinne ausschaufeln, aber ideal kleinere Sandbänke und Hügel abtragen. Wir hatten ihn vier Tage lang im Einsatz, für 2500 Euro Miete pro Tag. Also nicht nur ungewöhnlich, sondern auch sehr teuer.
Dürre:Der Rhein trocknet aus
Die Pegelstände von Deutschlands wichtigster Wasserstraße sind vielerorts so tief wie noch nie. In den kommenden Tagen könnten sie sogar noch weiter sinken.
Wie akut ist Ihr Notfall?
Meine Familie betreibt die Fähre seit 50 Jahren, ich selbst fahre seit 45 Jahren mit. So etwas wie dieses Niedrigwasser habe ich noch nie erlebt. Es ist das schlimmste Jahr, das wir je hatten. Wir können unseren Betrieb nur aufrechterhalten, weil wir den Bagger haben und unsere eigentliche Fähre durch eine Flachwasserfähre ersetzt haben.
Der Rhein ist an einigen Stellen bei Ihnen noch etwas über 50 Zentimeter tief.
Und 900 Meter breit, dadurch ist sein Pegel hier logischerweise besonders gefährdet. Uns fehlen etwa zweieinhalb Meter Wasser. Unser Hauptschiff hat in beladenem Zustand einen Tiefgang von ungefähr einem Meter - das ist eigentlich gar nichts. Unsere Fahrrinne ist noch etwa 1,1 Meter tief. Die Spezialfähre hat 50 Zentimeter Tiefgang. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Sie stehen im Gummistiefeln im Flussbett, und an Ihnen fährt eine Fähre vorbei.
Klingt skurril, ist aber nicht lustig.
Wir Fährbetreiber machen uns massiv Gedanken über die Zukunft. Wir müssen nach Wegen suchen, wie wir mit solchen Extremsituationen umgehen, ohne dass sie uns finanziell ruinieren. Ich alleine habe in den vergangenen zwei Jahren etwa 200 000 Euro investiert.
Erhalten Sie Unterstützung vom Land?
Null. Wir fühlen uns allein gelassen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung konzentriert sich auf die Fahrrinne für Schiffe. Man muss aber sagen: Die können das personell gar nicht stemmen, haben selbst große Probleme.
Wenn die Verwaltung nicht helfen kann, wer dann?
Die Politik. Fähren verkehren im öffentlichen Auftrag. Dass ein Busunternehmen seinen Betrieb einstellen muss, weil die Fahrbahn kaputt ist und die Stadt nicht hilft - das wäre unvorstellbar.
Im Fährverband bekommen Sie die Sorgen Ihrer Kollegen mit. Wie ist die Stimmung?
Alle haben sich über den schönen Sommer gefreut, der war ja auch gut fürs Geschäft. Aber nun erkennen alle: Ein guter Sommer gleicht eine solche Katastrophe nicht aus. Einige mussten sogar mit ihrem Betrieb pausieren, weil die Landerampen nicht mehr bis ins Wasser reichten.
Denkt man beim Rhein nicht eher an Hochwasser?
In den 90er-Jahren hatten wir ein Jahrhunderthochwasser nach dem anderen. Niedrigwasser war nie ein Problem. Seit 2003 hat sich das gedreht, nach 2003, 2011 und 2017 haben wir nun das nächste Jahrhundertniedrigwasser.
Immerhin soll es nun regnen.
Es hat auch neulich geregnet, aber das hat nur 25 Zentimeter mehr gebracht. Das ist gar nichts, wenn zweieinhalb Meter fehlen. Dann war es eine Woche trocken, und das Wasser fiel wieder. Noch sind wir zehn bis 14 Zentimeter über dem historischen Tiefststand. Aber was sind schon 14 Zentimeter?