Kurti ist tot. Im Heidekreis erschossen. Als Kurti noch Wolfswelpe war, da sollen ihn angeblich Zweibeiner angefüttert haben, von da an hatte Kurti keine Angst mehr vor Menschen.
Aber die Menschen hatten immer mehr Angst vor ihm. Am vergangenen Wochenende soll sich Kurti dann Spaziergängern bis auf wenige Zentimeter genähert haben. Er soll Frauen mit Kinderwagen gefolgt sein und einen Hund gebissen haben. Deshalb wurde Kurti am Mittwochabend gegen 20 Uhr "letal entnommen", wie es im niedersächsischen Amtsdeutsch heißt.
Im Auftrag des Umweltministeriums war er zuvor von einem schwedischen Wolfsexperten mit Gummiknüppeln beschossen worden. "Vergrämungsmaßnahme" nennt man so was. Kurti sollte lernen: Menschen sind gar nicht so nett.
Hat er aber nicht gelernt. Und nun ist Kurti der erste deutsche Wolf seit mehr als hundert Jahren, dem die Staatsgewalt höchstselbst den Garaus machte.
Pressekonferenz zu Kurtis Tod
Eigentlich hieß Kurti MT6. Eine Kennung, die man ihm verpasste, weil er aus einem Rudel stammte, das im Jahr 2011 erstmals am Munster-Truppenübungsplatz wahrgenommen wurde. 2012 wurde er als Tier Nr. 6 geboren. Und da irgendjemand seinen Vater mal Kurt genannt hatte, war "Kurti" als Zweitname nur logisch.
Doch ab 2015 war rund um den Truppenübungsplatz irgendwie jedem klar, dass Kurti "die nötige Distanz vermissen lässt", wie es der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) jetzt auf der Pressekonferenz zu Kurtis Tod formulierte.
Ein zerrüttetes Verhältnis
Die Beziehung des Menschen zum Wolf gilt schon seit Jahrhunderten als angespannt. Märchen und Filme belegen das völlig zerrüttete Verhältnis, man spricht vom "Rotkäppchen-Syndrom". Von Sachsen bis NRW organisieren Behörden mittlerweile bunte Informationsabende, um das Image des Raubtiers aufzupolieren.
Doch die Wolfsangst sitzt tief. Selbst wer kein einziges Schaf besitzt, glaubt oft, der Wolf habe immer nur Böses im Sinn. Und durch Kurtis kleine Verhaltensstörung hatte dieses Vorurteil zuletzt wieder neue Nahrung erhalten.
Seit 1904 galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet - da freute man sich über jeden Zuzug. Hundert Jahre später wurden in Deutschland immerhin sechs Wölfe gezählt, heute laufen allein in Niedersachsen 70 davon rum. Grundsätzlich ist der Wolf ja sehr willkommen. Wenn er sich denn gut benimmt.
Um den Tieren ihre Eingliederung zu erleichtern, forderten Tierschützer zuletzt ein Ende aller wolfsfeindlichen Darstellungen, wie sie in Märchenbüchern oder Kindersendungen üblich sind. Bei der Neugestaltung der TV-Serie "Wickie" achteten Redakteure sehr genau darauf, dass Wölfe weniger bedrohlich wirken als noch in der Urfassung aus den 1970er-Jahren. Damals hieß es im Wickie-Titellied: "Die Angst vorm Wolf macht ihn nicht froh, und im Taifun ist's ebenso". Vorbei.
Kein Mord, eine Notwendigkeit
Auch Niedersachsens Umweltminister Wenzel betonte auf der Pressekonferenz zu Kurtis Tod: Die "letale Entnahme" sei "im Einklang mit dem Artenschutz" geschehen. Als "Gefahrenabwehrmaßnahme" unter Einbeziehung des schwedischen Vergrämungsexperten und des "Wolf-Dokumentationszentrums" sowie mit "Amtshilfe durch die Polizei".
Kein Mord also, sondern eine Notwendigkeit aus Gründen des "Wolfsmanagements". Schließlich gehe es darum, "die Akzeptanz für die Rückkehr der Wölfe hochzuhalten". Letztlich sei ja auch nicht das Tier, sondern der Mensch das Problem, wenn er Welpen anfüttere und Speisen im Wald liegen lasse. Auch Jäger und Naturschützer verteidigten die Tötung. Allein ein paar überambitionierte Tierfreunde ("Das war eine HINRICHTUNG!") twitterten sich ihr Netzwerk heiß.
Wie Asterix zum Image-Schaden beitrug
Wie gesagt: Das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf bleibt problematisch. Noch bei den Griechen galt der Beutegreifer als heiliges Tier des Lichtgottes Apollon, später wurde er Kriegsgöttern wie Mars und Odin zur Seite gestellt. Im Asterix-Band 19 trägt der zwielichtige Seher Lügfix ein Wolfsfell. Durch solche Interpretationen war das Image des Tieres schnell im Eimer.
Die ehemalige brandenburgische Umweltministerin Anita Tack forderte deshalb schon vor Jahren eine ökopädagogisch sinnvolle Neufassung des Grimm-Märchens. "Rotkäppchen und der gute Wolf", so in der Art.
Für Kurti kommt das alles viel zu spät. Immerhin hat Umweltminister Wenzel gesagt, dass letale Entnahmen für ihn auch bei Problemwölfen immer nur das allerletzte Mittel seien.