Nepal:Das große Schlachten

Gadhimai Festival in Bariyarpur

Ein Mann kommt zum zweitägigen Opferfest für die hinduistische Göttin der Macht Gadhimai.

(Foto: Samir Shrestha/dpa)

Alle fünf Jahre werden auf dem Gadhimai-Pilgerfest im Süden Nepals hunderttausende Opfertiere getötet. Tierschützer in aller Welt fordern ein Verbot des blutigen Brauchs - doch die Macht des Glaubens ist stärker.

Von Arne Perras

Kokosnüsse als Opfergabe, das geht auch. Es gibt viele Wege, um Göttin Gadhimai glücklich zu machen. Kein Wunder, dass Tierschützer in aller Welt sich also auf die Kokosnuss stürzen, als denkbare Rettung. Sie wollen, dass das Massaker in Bariyarpur irgendwann endet. Aber das ist nicht so einfach in einer Welt, wo weltliches Recht und Götterglaube so stark aufeinanderprallen wie im Süden Nepals.

Bariyarpur ist einerseits ein heiliger Ort für Hindus, der alle fünf Jahre Millionen Pilger anzieht; andererseits produziert er jedes Mal schockierende Bilder des Leidens, die viele Menschen doch nur schwer ertragen können. Es sterben innerhalb weniger Stunden mehr Tiere als an jedem anderen Ort der Welt, in Bariyarpur begehen die Gläubigen das größte Tieropferfest der Welt. Hunderte Männer mit langen Messern und Macheten verwandeln das Gelände rund um den Tempel in eine Todeszone. Sie schlachten die Kleinen: Ratten, Enten, Hühner. Und die Großen: Schweine, Ziegen, Büffel. Die Pilger opfern die Tiere, damit Wünsche in Erfüllung gehen; oder Sorgen dank göttlicher Hilfe aus ihrem Leben verschwinden.

Das große Schlachten von Bariyarpur ist ein religiöses Ritual, das sich der Kontrolle des Staates weitgehend zu entziehen scheint. Denn schon 2016 hatte das oberste Gericht von Nepal angeordnet, die Tötungen zu stoppen. "Den Leuten muss bewusst gemacht werden, dass das Schlachten von Tieren keine gute Tat ist", erklärten die Richter. Die Regierung wurde angewiesen, einen Plan auszuarbeiten, die Vorgabe der Justiz umzusetzen. Kokosnüsse und andere Früchte wären ein Ausweg, doch vielen Pilgern reicht das ganz offenkundig nicht aus, um der Göttin Gadhimai zu huldigen. Sie wollen mehr opfern. Blut muss fließen. Und so geschieht es nun auch wieder Mitte dieser Woche. Dienstag und Mittwoch hat der Chefpriester des Tempels als günstige Opfertage ausgewiesen, das Schlachten aber wird noch weitere Tage anhalten.

Schon vor Tagen sammelten sich die ersten Pilger, viele kommen von jenseits der Grenze, aus Indien. Alle fünf Jahre verstopfen rund um Bariyarpur deshalb die Straßen, neben den Menschen kommen auch Hunderttausende Opfertiere, viele sind auf Ladeflächen von Lastwagen zusammengepfercht, manche ans Motorrad gebunden, schon die Reise ist eine Tortur, weil Wasser und Futter fehlen.

In Bariyarpur warten die Schlachter. Sie tragen lange Messer und Macheten, Bilder und Videos, die bei früheren rituellen Schlachtungen gemacht wurden, zeigen Angst und Qualen der Tiere, sie sind meist eng nebeneinander angepflockt, sie bekommen mit, was um sie herum geschieht. Die meisten Männer mit den langen Klingen haben keine Ausbildung als Schlachter, es sind selten Profis am Werk, was das Leiden umso größer macht. Oft sind viele Hiebe nötig, bis ein Büffel für die Göttin enthauptet ist.

Getötet wird abgeschirmt von den Kameras

Das Tempelkomitee, das eigentlich angewiesen ist, die Anordnung der obersten Justiz zu befolgen, erklärt, dass dieses Jahr erstmals auf das Schlachten von Tauben verzichtet werde. Ein erster Schritt, ob ihm weitere folgen werden, ist ungewiss; den Wasserbüffeln hat das alles nichts genützt; bereits am ersten Tag sollen 7000 von ihnen getötet worden sein.

Der blutige Brauch, den Tierschützer in aller Welt anprangern, geht auf eine Legende zurück, die mindestens 260 Jahre alt ist. Demnach war einem Gefangenen im Traum Gadhimai erschienen, sie ist die Göttin der Macht. Am Morgen danach waren die Fesseln des Mannes verschwunden, er kam frei, doch man erzählt sich auch, dass die Göttin für ihre Dienste Blut gefordert habe. Menschliches Blut. Der Befreite aber entzog sich diesem Wunsch und schlachtete stattdessen fünf Tiere. Die Legende machte den Tempel von Bariyarpur bald zum Magneten, immer mehr Pilger kamen, immer mehr Tiere wurden getötet, 2009 starben nach Schätzungen bis zu 500 000. Das Massaker mobilisierte damals aber auch Tierschützer wie nie zuvor. Kampagnen wurden gestartet, und die Justiz hat schließlich zugunsten der Kritiker entschieden. Nur, dass das Töten weiter seinen Lauf nimmt. Der Arm der weltlichen Justiz reicht offenbar nicht sehr weit, wenn Millionen Hindupilger ihrem Götterglauben folgen.

Nepal: Hunderttausende Tiere werden bei dem Pilgerfest getötet.

Hunderttausende Tiere werden bei dem Pilgerfest getötet.

(Foto: Prakash Mathema/AFP)

Die Zahl der Besucher sei weiter gestiegen, gab Chefpriester Mangal Chaudhary bekannt. Einer der Pilger, Bishnawath Kalawar, sagte der Zeitung Kathmandu Post: "Wir sind glücklich, dass wir hier opfern können. Es ist unser eigener Wunsch." Das Tempelkomitee, das das Festival organisiert, versuchte sich in der Quadratur des Kreises, indem es erklärte, es habe ja niemanden darum gebeten, Opfertiere mitzubringen. "Wir unterstützen die Massenschlachtungen nicht, aber wir sind auch nicht dagegen", erklärte der Vorsitzende Ramchandra Sah Teli in der nepalesischen Presse.

Die Tempelleitung ist allerdings besorgt, dass internationale Proteste dem Ruf des Festes und ihrem Ort schaden. Während früher beim Schlachten noch gefilmt wurde, ist das nun verboten. Die Tötungen geschehen abgeschirmt von den Kameras. Kritiker der Opferungen sehen zumindest einen Teilerfolg darin, dass die Zahl der getöteten Tiere seit 2009 zurückgeht. Aber der große Durchbruch, dem rituellen Schlachten in Bariyarpur ein Ende zu setzen, ist ihnen 2019 nicht gelungen.

Diejenigen, die Tiere opfern lassen, rühren das Fleisch später nicht an. Um tote Büffel kümmern sich dann die Chamar, Angehörige der untersten Schicht Nepals, früher als "Unberührbare" bekannt. Sie essen oder verkaufen das Fleisch, Häute werden genutzt, um Leder daraus zu gewinnen. Doch angesichts der großen Zahl von getöteten Tieren werden längst nicht alle Kadaver verwertet, viele rotten vor sich hin, bevor sie schließlich verscharrt werden.

Dafür, dass sie die geopferten Tiere essen, würden sie von den Pilgern verachtet, klagte kürzlich eine Gruppe der Chamar und kündigte an, sie wolle das Ereignis diesmal boykottieren. Das große Schlachten verhindern sie damit nicht.

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