Mitten in ... Osaka
In dem kleinen Ramen-Lokal in Osaka herrscht anonyme Nudelsuppenstimmung, die zwei Reisenden schlürfen ihre Suppen neben fünf Einheimischen, einem jungen Mann, einer jungen Frau, einer Mutter mit ihren Kindern. Die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Gäste gilt den randvoll gefüllten Schüsseln, der kräftigen Brühe, dem zarten Schweinebauch. Bis der Koch hinter der Theke plötzlich die bis zum letzten Tropfen leer gelöffelten Schüsseln der Reisenden erblickt. Er strahlt, jubelt, thank you, thank you, arigato gozaimasu. Auch die anderen Gäste schauen nun von ihren Suppen auf, die Blicke voller Anerkennung. Als die Reisenden das Lokal verlassen, winkt die Mutter, winken die Kinder. Es winkt die junge Frau, es winkt der junge Mann, ein japanisches Ramen-Spalier. Man kam als Fremder, man geht als Nudelsuppenheld. Moritz Geier
Mitten in ... Bologna
Bologna ist eine dieser Städte, in denen man gerne nicht als Touristin erkannt werden möchte. Das studentische Flair, die strahlende Frühwintersonne, hier ein caffè, da ein schöner Teller ragù. In den Vintage-Shops gibt es formidable Mäntel, Sonnenbrillen, Krokoledertaschen zu kaufen, die Schaufenster sehen schon weihnachtlich aus. Kein Florenz oder Venedig, das in Touristenmassen untergeht, eine schöne Stadt, in der man offenbar auch gut leben kann. Hier will man sofort dazugehören, auch als tedesca, beim Spaziergang durch die mittelalterlichen Arkaden, Unesco-Weltkulturerbe, fast 40 Kilometer lang! Aber dann wird man doch erkannt, von einem Graffito gleich beim kleinen Fenster, durch das gerade eine Menschentraube auf den Moline-Kanal zu schauen versucht: "This is not Venice Tourists go AWAY!!" Schnell weiter. Aurelie von Blazekovic
Mitten in ... Chur
Warten auf den Zug, aber wo gibt's die Tickets? Ein Schild weist ins Reisezentrum. Menschen statt Touchscreen, auch mal schön. "Grüezi. Eine Fahrkarte nach Scharans, bitte." Die Frau am Schalter schaut entgeistert: "Es Ticket wend Si?""Äh ja, ich dachte, im Reisezentrum ..." "Jo scho", sagt sie. Aber mit dem System sei's gerade schwierig. Sie versucht es mal. Karte rein. Ticket abgebucht. Geht doch. Trotzdem schaut die Frau zerknirscht. "I cha 's Ticket nid uusdrucke." Hmm. Vielleicht von Hand schreiben? Auf gar keinen Fall, sagt sie. Alles zurück. 20 Minuten verstreichen, bis das Storno durchgeht. Die Verkäuferin atmet auf. Aber mein Zug? "Jo, dä fahrt jetz grad." Tickets gibt's übrigens auch unten am Automaten. Schnell zum Touchscreen, endlich: ein Fahrschein! Nur blöd, dass der Zug gerade davongefahren ist. Auf die Minute pünktlich. Man ist ja in der Schweiz. Arne Perras
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