SZ-Kolumne "Mitten in ...":Jeder nur ein Kreuz

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Der SZ-Korrespondent in London darf zum ersten Mal in England wählen gehen - im erstaunlichsten Wahllokal seines Lebens. Drei Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... London

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Über das seltsame Verhältnis von Heinrich VIII. zu seinen Frauen wurde oft berichtet, kurz: Sein leicht entflammbares Herz führte zum Ableben einiger dann Ex-Frauen, und wegen der Engstirnigkeit der katholischen Kirche in Sachen Scheidung gründete er die Anglikanische Kirche. Er baute Gotteshäuser, eines im Londoner Südwesten, ein prachtvoller Bau, auch nach 500 Jahren noch. Wahltag neulich, Council Elections, als in England Wohnhafter ist man stimmberechtigt. Suche nach dem Wahllokal. Das Schild "Poll Station" steht vor der Kirche, aber die können doch nicht... Tatsächlich: Der Weg zur Wahlkabine führt durchs Mittelschiff, vorbei am Altarraum in eine Art Sakristei. Zweckentfremdung, Jessasmaria! Andererseits: Ein schöneres Ambiente zum Ankreuzen (auf Wahlzetteln) kann es nicht geben. Und die Trennung von Kirche und Staat ist eh ein Mythos. Michael Neudecker

Mitten in ... Scharenstetten

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Ein Familienbesuch in der Südpfalz steht an. Wieder einmal geht's von München aus über die ungeliebte A8, die wie immer viel befahren ist und zu allem Unglück dieser Tage auch noch gesperrt. Empfohlen wird eine weiträumige Umfahrung. Na denn, immer schön dem Navi nach. Die vorgeschlagene Route erweist sich als staufrei und herrlich entspannt. So gelangt man durch kleine Käffer, deren Bewohner die Blechkarawane bestaunen, die sich langsam, aber stetig über Land bewegt. Da dringt am Eingang des Dörfchens Scharenstetten plötzlich das laute Krähen eines Hahns durchs geöffnete Autofenster herein. Hat der den Morgen verpasst oder was soll das jetzt am frühen Nachmittag? Kurz danach eine Tafel am Straßenrand. Darauf kündigt der hiesige Schützenverein ein dörfliches Großereignis an: Gockelschießen! Armer Hahn. Evelyn Vogel

Mitten in ... München

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Die Schlange vor der Eisdiele am Münchner Hohenzollernplatz ist lang. Zwei Mädchen, sie sind vielleicht zehn, zählen zu den Glücklichen, die ihre Waffeln schon in den Händen halten. Bevor eines der beiden am Eis schleckt, sagt es: "Ich habe Ukraine." Nanu? Ein Blick auf die Kugeln löst das Rätsel: eine blaue und eine gelbe, Schlumpf- und Vanilleeis. Ihre Freundin, die Schokolade und Schlumpf bestellt hat, überlegt kurz, dann sagt sie: "Und ich habe Schokolaine." Sie nicken andächtig, dann fahren ihre Zungen über das Eis. Nun könnte man natürlich sagen: Wie schrecklich, dass sich selbst zwischen zwei bunte Kugeln Eis ein Krieg schiebt. Man könnte aber auch erkennen, wie schön es ist, dass diesen Mädchen offenbar gelingt, was Erwachsenen schwerzufallen scheint: die Gleichzeitigkeit des Schönen und des Schrecklichen auszuhalten. Jacqueline Lang

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