SZ-Kolumne "Mitten in ...":Trinksport am Bahnsteig

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(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Reichen ein paar Minuten Aufenthalt im Bahnhof von Ulm, um drei Flaschen Bier zu besorgen? Ein SZ-Redakteur wird Zeuge eines alkoholischen Sprints. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Ulm

Platz wäre genug. Doch statt sich auf einen der freien Sitze im Zug niederzulassen, stehen die Jugendlichen lieber bei einer Gruppe etwas älterer junger Leute mit Bierflaschen herum, die es ihnen offenbar mit ihrem Kleinkriminellencharme angetan haben. "Letzte Woche hab' ich 'nen Kasten geklaut", erzählt einer in die feucht-fröhliche Stimmung. Doch die droht zu kippen, als die Alkoholvorräte zur Neige gehen. "Ich hol' mir in Ulm am Bahnhof eins", sagt der selbsternannte Kastendieb. "Bring mir eins mit!", ruft einer der Jüngeren. "Mir auch!", ein zweiter. Im Gegenzug sollen sie für ihn die Zugtür aufhalten. In Ulm steige ich um. Aus weiter Ferne höre ich den Schaffner schreien. "Einsteigen jetzt!" Die Jugendlichen trollen sich, mit drei Bier in der Hand kommt ihr Kumpan angerannt, doch da rollt der Zug schon. Immerhin, auf der Sitzbank am Gleis ist noch Platz. Johannes Bauer

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Istanbul

Katzen sind allgegenwärtig in Istanbul, auch in diesem Café im Stadtteil Cihangir. Freudestrahlend nähert sich der Eineinhalbjährige einer auf der Couch fläzenden Diva. "Miau", ruft er noch, da hat sein Gegenüber das Gespräch mit den Krallen schon jäh beendet. Ein Kratzer zeichnet sich auf der Stirn des kleinen Touristen ab, dicke Tränen kullern die Wange herunter. Ein Katzen-Trauma bei einem Kleinkind? Das können die gleichermaßen kindervernarrten wie katzenaffinen Menschen in der Stadt unmöglich zulassen. Die Kellnerin eilt mit Desinfektionsmittel heran und spendet Trost. Und der Cafébesitzer macht das erschrockene Kind mit einem Artgenossen der grimmigen Diva bekannt. Hasan, schwarz-weiß gescheckt, flauschig und denkbar gutmütig, lässt sich geduldig von kleinen Patschehänden streicheln. Trauma bewältigt. Felicitas Wilke

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Siegburg

Sind die Rheinländer nicht eigentlich bekannt für ihre freundliche, zugewandte Art? Ein Mittwochabend im Frühling, Ankunft am Bahnhof von Siegburg. Der Koffer ist schwer, die Beine sind müde, zum Laufen ist es eindeutig zu weit. Also auf zum Taxistand direkt vor dem Eingang: Bitte zum Tagungshaus oben auf dem Berg. Es folgt ein knappes "Dachte ich mir schon". Als der Taxifahrer hört, dass etwa 100 Leute an dem Seminar teilnehmen, sagt er: "100 zu viel!" Dieser Mann möchte offenbar nicht reden. Nach einiger Zeit tut er es doch. Es sei einfach eine schreckliche Woche, schimpft er: "Streik abgesagt, es regnet nicht, und morgen ist auch noch Feiertag." Früher sei die Tagungsstätte ja noch in Bad Honnef gewesen, da habe sich die Fahrt wenigstens gelohnt. Trinkgeld? Gibt es so jedenfalls nicht. Die eingesparten Euro trägt man lieber in die Kneipe. Michaela Pelz

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