Mietstreit wegen Rauchen:Prozess in den letzten Zügen

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Friedhelm Adolfs, 77, am Montag in Düsseldorf. (Foto: Marius Becker/dpa)

Nach 40 Jahren wurde Raucher Friedhelm Adolfs fristlos gekündigt, weil sein Zigarettenrauch andere Mieter belästigte. Bei dem Urteil geht es auch um Grundsätzliches.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Friedhelm Adolfs, 77 Jahre alt, Kettenraucher, hat genug, und das nicht nur, weil im Gerichtssaal nicht geraucht werden darf. "Dieses Theater dauert jetzt schon drei Jahre", sagt Adolfs am Montagmittag mit dünner Stimme. "Es reicht."

Bis zum 2. März aber muss sich der Düsseldorfer Rentner noch gedulden: Frühestens dann wird geurteilt in diesem Rechtsstreit, der längst in die deutsche Gerichtsgeschichte eingegangen ist. Es geht darum, ob der Mann, der in unzähligen Berichten nur "Raucher Adolfs" genannt wird, in der von ihm gemieteten Souterrain-Wohnung im Stadtteil Düsseltal im Januar 2013 nach 40 Jahren fristlos gekündigt werden durfte, weil kalter Zigarettenrauch aus seiner Wohnung ins Treppenhaus gezogen sein und andere Mieter belästigt haben soll.

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Bei dem Urteil gehe es um Grundsätzliches, sagt Adolfs Anwalt

"Das Urteil", sagt sein Anwalt Martin Lauppe-Assmann, "wird weitreichende Folgen haben." Es gehe hier ja um "die grundsätzliche Frage, welche Toleranz Vermieter künftig gegenüber ihren Mietern üben müssen".

Zwölf Zeugen sind am Düsseldorfer Landgericht am Montag geladen. Thema: die Erinnerbarkeit von Gerüchen. Es wird schnell klar, dass auch der wohl letzte Akt dieser Geschichte zäh werden dürfte.

"Geruchserinnerungen verblassen", behauptet Lauppe-Assmann nach fast vierstündiger Verhandlungsdauer. Das haben die Zeugen der Gegenseite zuvor aber ganz anders gesehen. "Unerträglich", "ekelhaft" und "widerlich" soll es 2011 und 2012 im Erdgeschoss des Treppenhauses in der Kühlwetterstraße 49 in Düsseldorf gerochen haben. "Das war wie Körperverletzung", erinnert sich der auch für die Vermieterin tätige Immobilienmakler Norbert H. als gewerblicher Mieter im vierten Stock des Hauses.

Die von Anwalt Lauppe-Assmann berufenen Zeugen hingegen können sich an "keine besondere Geruchsbelästigung" erinnern. Die vier Freunde und zwei Verwandten von Adolfs wollen zwar olfaktorisch "Parfüm", "Putzmittel", "Öl" und "Moder" im Treppenhaus wahrgenommen haben, nicht aber "Tabak" oder "kalten Rauch". Adolfs habe "stets gelüftet", behaupten sie in den Einzelbefragungen. Zudem habe er "die Aschenbecher immer rechtzeitig geleert".

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Für das Urteil sind die Geruchserinnerungen der Zeugen entscheidend

An solchen Geruchs- und anderweitigen Erinnerungen muss Richter Rolf Maurer sein Urteil festmachen. Darauf weist er jeden der Zeugen explizit hin: "Es geht hier um die Frage, ob es im Treppenhaus nach Zigarettenrauch gerochen hat sowie darum, ob der Herr Adolfs ordentlich gelüftet hat." Sieben dem Raucher nahestehende Zeugen finden: Es hat nicht gerochen. Drei gewerbliche Mieter finden: Hat es doch - früher unerträglich, heute nicht mehr ganz so schlimm, "seit dieser Prozess begonnen hat".

Das heutige Hausmeister-Ehepaar, Zeugen elf und zwölf, war 2012 noch nicht zuständig. Weil eine 13. Zeugin, die schriftlich bereits eine Geruchsbelästigung bekundet hat, derzeit nicht verhandlungsfähig ist, wird der Verkündungstermin auf den 2. März datiert. Aber auch dann erfährt Adolfs vielleicht nicht, ob er ausziehen muss. Denn bis dahin könnte auch noch die Anforderung eines Gutachtens in Erwägung gezogen werden.

"Niemand wollte dem Friedhelm Adolfs etwas Böses"

Im Januar 2013 hatte Adolfs die fristlose Kündigung erhalten. Im Juli 2013 hatte das Düsseldorfer Amtsgericht in erster sowie im Juni 2014 das Landgericht in zweiter Instanz seinen Widerspruch zurückgewiesen, im Februar 2015 hob der Bundesgerichtshof das Urteil mit Verweis auf ungenügende Erkenntnisse über eine schwerwiegende Geruchsbelästigung auf. Der dritte Durchgang begann im Juni 2015 und musste wegen eines Schlaganfalls von Adolfs unterbrochen werden.

Der Prozesstag am Montag ist Tag zwei, Adolfs wird unterstützt von der Stieftochter, der Stiefenkelin und der Lebensgefährtin, zudem von drei Freunden, von denen er einen auf einer Demonstration gegen das Nichtrauchergesetz kennengelernt hat. Auch der damalige Hausmeister stärkt Adolfs, indem er angibt, im Eingangsbereich des Hauses mit viel Publikumsverkehr hätten oft Raucher gestanden, möglicherweise Kunden der ansässigen Makler und Anwälte.

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Unbeliebt, aber nicht rechtlos: Mietern das Rauchen in der Wohnung zu verbieten, ist schwieriger, als viele denken. Beschwerdeführer müssen nämlich vor Gericht beweisen, dass der Geruch nicht zumutbar ist oder die Emissionen aus der Nachbarwohnung ihre Gesundheit gefährden.

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Als Hauptbelastungszeuge entpuppt sich der 73-jährige Manfred B., als Immobilienmakler ebenfalls gewerblicher Mieter im Haus, aber auch Vertrauter und Geschäftspartner der hochbetagten Vermieterin. "Niemand wollte dem Friedhelm Adolfs etwas Böses", sagt B., "wir wollten nur, dass er sein immer extremeres Rauchverhalten wieder normalisiert."

Ob es vor 2. März zu einer gütlichen Einigung kommen könne? Adolfs' Anwalt verneint entschieden. "Die Fronten sind verhärtet", sagt Lauppe-Assmann. "Es geht ums Prinzip."

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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