SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Ich würde alles lieber machen, als hier rumzuliegen"

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Seit mehr als einem Monat liegen sie hier: Jovan Crncanin (rechts) und Filip Knezevic sind zwei von vier Finalisten der Faulenzer-Meisterschaft in Montenegro. (Foto: Matko Begovic/IMAGO/Pixsell)

Chillen ist ihr großes Talent: In Montenegro treten ambitionierte Faulenzer gegeneinander an. Sieger ist, wer am längsten liegen bleibt. Ein Anruf bei einem der Liegenden - mitten im aufreibenden Wettkampf.

Interview von Ben Bukes

Es gibt wohl keine Wettkampfdisziplin auf diesem an Wettkampfdisziplinen reichen Planeten, die so wenig körperliche Betätigung verlangt wie jene, deren Meister derzeit in Montenegro ermittelt wird. Zum zwölften Mal findet im Dorf Brezna die internationale Faulenzer-Meisterschaft statt - eingeführt als ironische Reaktion auf das Klischee, die Montenegriner seien ein gemütliches Völkchen. Die wichtigste Regel im Wettkampf: liegen bleiben. Wer sich hinsetzt oder aufsteht, fliegt raus. Der Serbe Jovan Crncanin, 33 Jahre alt, liegt seit mehr als einem Monat mit seinen Kontrahenten um die Wette, inzwischen sind nur noch vier von 21 Teilnehmern übrig. Zum Interview erreicht man Crncanin mitten im Wettkampf. Selbstverständlich liegend.

SZ: Herr Crncanin, liegen Sie bequem?

Jovan Crncanin: Ja, schon. Ich liege im Schlafsack auf einer Schaumstoffmatratze. Die ist nicht sehr dick, aber gut genug, um bequem zu liegen.

Wann haben Sie gemerkt, dass Chillen Ihr großes Talent ist?

Meine Mutter kritisiert mich schon immer, dass ich zu faul bin. Aber jetzt konnte ich ihr sagen: 32 Jahre Übung zahlen sich endlich aus.

Seit mehr als einem Monat liegen Sie nun auf Ihrer Schaumstoffmatratze. Was machen Sie denn den ganzen Tag?

Nichts besonderes. Wir dürfen Handys und Laptops benutzen. Die Frauen hören am liebsten Musik, die Männer, besonders ich, gucken viel Fußball im Livestream. Natürlich schauen wir auch, was auf Social Media abgeht. Und wir kriegen drei mal am Tag Essen, alle Getränke, die wir wollen, Süßigkeiten, Eis, Kaffee. Es ist zwar ein bisschen schwierig, im Liegen zu essen, aber ungefähr 30 Zentimeter dürfen wir uns dafür immerhin aufrichten.

Und Ihre Arbeit? Machen Sie Home-Office?

Ja, für meinen Job muss ich eh kaum ins Büro. Ich bin Marketing-Manager bei einem Fußballclub, das meiste passiert am Computer. Ich arbeite jetzt auch von hier - wobei mein Kollege das wahrscheinlich anders sehen würde, er arbeitet gerade extra ein bisschen mehr. Wir haben ja nicht erwartet, dass das hier so lange dauert. Am Anfang haben er und mein ganzes Umfeld mich sehr unterstützt. Irgendwann habe ich dann schon überlegt, wie lange ich denen das noch zumuten kann. Aber mein Kollege hat gesagt: "Du bist so weit gekommen, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Zieh das bis zum Ende durch." Ich werde ihm das mit sehr viel Bier zurückzahlen müssen, wenn ich wieder zu Hause bin.

Jovan Crncanin ist Marketing-Manager bei einem Fußballclub - momentan arbeitet er im "Home-Office". (Foto: privat)

Für Herz, Lunge und Muskeln ist das andauernde Liegen sehr ungesund. Insofern klingt der Wettbewerb auch ein bisschen nach einer Nahtoderfahrung.

Nein, glauben Sie mir: Wir alle fühlen uns wirklich gut. Manche von uns sind dicker geworden, aber eigentlich sind wir in sehr guter Form. Dreimal am Tag haben wir 15 Minuten Pause, in der wir auch rumlaufen oder rennen können. Und wir haben alle zugesagt, dass wir sofort aufhören, wenn uns irgendwas wehtut.

Wünschen Sie sich für die nächste Meisterschaft eine Fernsehübertragung? Das wäre sicher mörderspannend.

Ich habe gehört, dass es wirklich Pläne für eine Übertragung gibt. Aber ich weiß nicht, warum das für jemanden interessant sein sollte. Und mal ehrlich: Es kann nicht gesund sein, sich einen Monat hinzulegen, auch wenn wir alle keine Probleme haben. Ich denke nicht, dass dieser Wettbewerb idealisiert werden sollte.

Werden Sie den Faulenzer-Titel am Ende holen?

Deswegen bin ich gekommen und ich bin bereit dafür. Aber sicher kann ich mir nicht sein, das kann hier niemand. Ich wäre begeistert, wenn es bald vorbei wäre. Ich würde jetzt wirklich alles lieber machen als hier rumzuliegen.

Warum machen Sie dann überhaupt mit?

Am Anfang kam ich nur wegen der 1000 Euro, die es zu gewinnen gibt. Aber ich will jetzt auch eine Art Vorbild sein. Ich arbeite ja in einem Fußballclub, wir sind nicht so gut, stabiles Mittelfeld. Ich möchte den Spielern zeigen: Mit der richtigen Einstellung kannst du alles erreichen.

Und von den 1000 Euro wollen Sie wahrscheinlich ein Kingsize-Bett kaufen?

Glauben Sie mir: Das Geld ist schon verplant für Technikkram und vor allem für das Bier, das wir zu Hause trinken werden. Ich kann es kaum erwarten, alle wiederzusehen, zu trinken und zu feiern. Wahrscheinlich gehe ich erst ins Pub und dann nach Hause. Schlafen werde ich auf jeden Fall so wenig wie möglich - das habe ich fürs nächste Jahr genug gemacht.

Weitere Folgen der SZ-Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

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