Massentierhaltung:Küken, zerschreddert im Müll

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Bislang ist es in der Branche üblich, männliche Küken zu töten - das Land Nordrhein-Westfalen will diese Praxis nun verbieten. (Foto: Getty Images)

"Wirtschaftlich nicht nutzbar": Die männlichen Eintagesküken von Legehennen werden vergast und geschreddert. Das Land Nordrhein-Westfalen will diese Praxis nun verbieten. Doch reicht das?

Von Silvia Liebrich

Es ist ein grausames Geschäft, über das Geflügelzüchter nicht gern sprechen: Männliche Küken von Legehennenrassen werden bereits kurz nach dem Schlüpfen getötet, weil sie weder Eier legen, noch für die Mast taugen. Für die Massenproduktion sind sie damit "wirtschaftlich nicht nutzbar". So heißt das dann nüchtern formuliert im Ökonomenjargon. In Deutschland bedeutet dies jedes Jahr das Todesurteil für 50 Millionen Tiere, so die Schätzung der Tierschutzorganisation Peta. So viele männliche Küken werden vergast, ihre Kadaver geschreddert.

Nordrhein-Westfalen will diese Praxis nun als erstes Bundesland verbieten. Der zuständige Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) stützt sich dabei auf eine Bewertung der Staatsanwaltschaft Münster. Diese hat nun bei Ermittlungen gegen eine Kleinbrüterei im Kreis Coesfeld festgestellt, was eigentlich längst bekannt ist, nämlich dass die Vernichtung männlicher Küken tierschutzwidrig ist. Denn das Töten von Tieren "ohne vernünftigen Grund" ist grundsätzlich verboten. Und das nicht erst seit gestern.

Verbot soll noch in diesem Jahr durchgesetzt werden

Für Tierschützer ist es ein Skandal, dass die meisten Aufsichtsämter den Rechtsverstoß jahrelang stillschweigend geduldet haben. Auch für Remmel ist die Lage eindeutig: "Diese Praxis ist absolut grausam, hier werden Lebewesen zum Abfallprodukt der Landwirtschaft." Sein Ministerium werde handeln. Die Behörden müssen nun innerhalb eines Jahres das Verbot durchsetzen. Betroffen sind laut Ministerium bis zu 15 Brütereien in Nordrhein-Westfalen. "Wir fordern alle Länder auf, dem Beispiel zu folgen", sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Ob sich mit dem Verbot tatsächlich etwas ändert an den Gepflogenheiten in der Branche, ist jedoch fraglich. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen die Brüterei wegen "Verbotsirrtums" inzwischen sogar eingestellt. Der Geflügelzüchter habe es nicht besser wissen können, so die Begründung. Und die wichtigste Frage bleibt auch nach dem Verbot ungeklärt: Was geschieht in Zukunft mit den männlichen Küken?

Legehennenrassen sind so gezüchtet, dass sie viele Eier legen, aber kaum Fleisch und Muskelmasse ansetzen. Männliche Tiere kommen deshalb für die Erzeugung von Hühnchenfleisch nicht in Frage. Brütereien werden also keine Abnehmer für die Tiere finden.

Masthuhn oder Legehenne

Zwar gibt es erste Ansätze, dieses Problem zu lösen. Forscher und Geflügelfirmen versuchen, den Zuchtfehler zu korrigieren. Sie sind dabei, sogenannte Kombi-Hühnerrassen zu entwickeln, die nicht nur viele Eier legen, sondern auch Fleisch ansetzen. Bislang kommen solche Tiere in der Massentierhalterung aber nicht zum Einsatz. Denn die Sache hat einen Haken: Mit der Leistung moderner Turbo-Hennen, die 300 Eier im Jahr legen und in der Regel spätestens nach eineinhalb Jahren geschlachtet werden müssen, können neue Rassen schwer mithalten.

Unklar ist auch, welche Folgen das Tötungsverbot in Nordrhein-Westfalen auf die gesamte Branche hat. Nur drei Unternehmensgruppen weltweit beherrschen die Geflügelzucht. Marktführer ist mit einem Anteil von fast 50 Prozent die deutsche Erich-Wesjohann-Gruppe mit Verbindungen zu Wiesenhof. Der Konzern hat seinen Sitz in Visbek in Niedersachsen und auch die für die Legehennenzucht zuständige Tochterfirma Lohman Tierzucht ist in dem Bundesland, in Cuxhaven, angesiedelt.

Dort hieß es am Freitag, man sei von dem Verbot nicht unmittelbar betroffen, da Lohman keine Brütereien in Nordrhein-Westfalen habe. In Niedersachsen gelte eine andere Regelung. Küken würden mit CO2 getötet und anschließend weltweit an Zoos, Falknereien und andere Abnehmer verkauft. "Zurzeit gehen wir vom Bestand dieser Regelung aus", sagte ein Firmensprecher.

© SZ vom 28.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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