Feiern in Corona-Zeiten:Ohne Masken, aber mit Schusswechseln und lauter Musik

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Während der Corona-Zeit finden Partys in Los Angeles oft in gemieteten Villen statt. In dieser kam es jüngst zu einer tödlichen Schießerei. (Foto: ROBYN BECK/AFP)

Los Angeles hat ein Problem mit Partys in Zeiten der Pandemie. Sollte man Influencern, die in gemieteten Villen feiern, vielleicht Wasser und Strom abdrehen?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich sind diese Villen in den Hollywood Hills prunkvoll und die Aussicht vom Mulholland Drive aus atemraubend. Wer nachts über diese Asphaltschlange fährt und den Blick von der Skyline zu den Häusern der Reichen und Schönen schweifen lässt, der spürt diesen Zauber, den Los Angeles noch immer innehat. Man fragt sich: Wer hier wohl wohnt? Oder auch: Wer hier wohl eine rauschende Party feiert? Genau das ist das Problem derzeit angesichts der Coronavirus-Pandemie: Es gibt Feste, die selbst Jay Gatsby aus dem Roman von F. Scott Fitzgerald vor Neid erblassen lassen würden - inklusive Schlägereien und Schießereien.

"Die großen Häuser in den Hollywood Hills sind zu Diskotheken geworden", sagt Bürgermeister Eric Garcetti. Nachtclubs und Bars sind noch immer geschlossen, Restaurants dürfen Gäste nur in Außenbereichen bedienen; selbst am Strand müssen mittlerweile Masken getragen werden, es sind nur Gruppen von weniger als zehn Menschen erlaubt, und die auch nur, wenn genügend Abstand gehalten wird. "Die Konsequenzen der Partys sind weitreichend, wenn dort mehr als 200 Leute feiern", sagt Garcetti, der den Häusern notfalls Wasser und Strom abstellen lassen will: "Das Virus verbreitet sich von dort aus in der ganzen Stadt."

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:Feiern geht auch eine Nummer kleiner

Die Zahl der Gäste bei Partys in Innenräumen weiter zu begrenzen, kann sinnvoll sein. Dort ist die Ansteckungsgefahr groß - und oft auch die Sorglosigkeit.

Kommentar von Christina Kunkel

Partys in den Hollywood Hills sind keine Seltenheit. Was sich jedoch verändert hat: Es sind nicht mehr die Eigentümer, die da feiern - einen neuen Film, einen Award oder einfach nur das Leben -, es sind Leute, die das jeweilige Haus mieten, tagsüber für Fotoshootings nutzen und dann nachts die Sau rauslassen. Seit 2018 will die Stadt dagegen vorgehen, Los Angeles ist zum Zielort zahlreicher Influencer geworden, doch ist es nicht einfach, das sogenannte "Party-Haus-Gesetz" umzusetzen: Kurzmieten sind in den Hollywood Hills erlaubt, und eine Feier auch nicht in jedem Fall verboten.

35-Jährige stirbt bei Schießerei

In den vergangenen Wochen gab es allerdings deutlich mehr Partys, die Polizei spricht von Dutzenden pro Nacht, und dann gibt es noch diese wahnwitzige Villa mit der Adresse 13200 Mulholland Drive, die jeder gesehen hat, der diese Straße entlanggefahren ist oder Fotos von Influencern in L. A. betrachtet: Vor zwei Wochen hat es dort auf einer Party eine Schießerei gegeben, bei der vier Leute verletzt worden sind und eine 35 Jahre alte Frau gestorben ist. Anhand der Einträge auf sozialen Medien konnte die Polizei schnell feststellen, dass es sich um eine Gang-Fehde gehandelt hatte und die Täter wohl über Social-Media-Fotos angelockt worden waren.

Bereits im Mai hatte sich ein Gast auf einer Party mit mehr als 100 Menschen selbst in die Hüfte geschossen, die Rapperin Megan Thee Stallion behauptete im Juni, dass ihr auf einer Fete in den Fuß geschossen worden sei - die Polizei ermittelt noch. Es werden also nicht nur deutlich mehr Partys gefeiert, nach Angaben der Hausbesitzer-Vereinigung werden sie auch wilder, lauter - und vor allem gefährlicher. "Die jungen Leute haben Lagerkoller, und sie haben keinen Ort, wo sie ihre Energie loswerden können", sagt Sheila Irani vom Hollywood United Neighborhood Council: "Es ist alles in die Hügel verlegt worden." Auf dem Sunset Strip und der Melrose Avenue ist derweil kaum was los.

Bürgermeister Garcetti will die Partys einschränken, er steht ohnehin unter Druck, angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen in der Stadt einen Mittelweg zwischen Pandemie und Ankurbeln der Wirtschaft zu finden. Die Polizeigewerkschaft hält allerdings nichts von seinem Plan, Strom und Wasser abzustellen. "Das sorgt nur für noch tiefere Gräben zwischen Polizei und Bevölkerung", sagt Vizepräsidentin Jerretta Sandoz: "Schießereien und Morde sind in Los Angeles gestiegen, die Beamten müssen sich darum kümmern und nicht um Partys. Der Bürgermeister benutzt uns für politische Zwecke." Die Party dürfte also erst einmal weitergehen, das einzige Mittel derzeit für Polizisten während einer Razzia: 100 Dollar Strafe für jeden Gast, der keine Maske trägt.

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