Libyen:Rotes Kreuz: 10 000 Vermisste nach Überschwemmungen

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"Überall liegen Leichen - im Meer, in den Tälern, unter den Gebäuden", sagt der Luftfahrtminister über die Lage in Derna. (Foto: Uncredited/Libysche Regierung/AP/dpa)

Sturmtief "Daniel" setzt einige Städte teilweise unter Wasser. Allein in Derna soll es mehr als 1000 Tote geben, die Lage ist Behörden zufolge "katastrophal". Die EU und die Bundesregierung bieten dem Land Hilfe an.

Nach heftigen Unwettern in Libyen gibt es Befürchtungen, dass Tausende Menschen ums Leben gekommen sind. Der Ministerpräsident einer der rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland, Osama Hammad, sagte dem Fernsehsender Al-Massar, es sei mit mehr als 2000 Toten zu rechnen. Allein in der massiv betroffenen Stadt Derna sind nach Behördenangaben mehr als 1000 Tote geborgen worden. "Die Lage ist sehr katastrophal. Überall liegen Leichen - im Meer, in den Tälern, unter den Gebäuden", sagte der Luftfahrtminister der im Osten herrschenden Regierung, Hichem Chkiuat, der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass 25 Prozent der Stadt verschwunden sind."

Die Zahl der Opfer könnte noch weiter ansteigen. Das Rote Kreuz geht davon aus, dass 10 000 Menschen vermisst werden.

Ahmed Mismari, Sprecher der Libyschen Nationalarmee, sagte, die Katastrophe sei eingetreten, nachdem Dämme oberhalb der Stadt Derna kollabiert seien. Ganze Stadtteile seien daraufhin mit ihren Bewohnern ins Meer gespült worden. Er gehe von bis zu 6000 Vermissten aus. Der libysche Präsidialrat forderte internationale Hilfe an und erklärte drei Provinzen in der Region Kyrenaika zu Katastrophengebieten.

Der Chef der Hilfsorganisation Roter Halbmond in Bengasi, Kais Fhakeri, hatte die Lage zuvor als "katastrophal" beschrieben. Allerdings hatte er von 150 Toten gesprochen und die Vermutung geäußert, dass die Zahl noch auf 250 steigen könne.

Das Sturmtief Daniel hatte Libyen am Sonntag erreicht und Teile der Städte Bengasi, Susah, al-Baida, al-Mardsch und Derna unter Wasser gesetzt. In im Internet veröffentlichten Videos sind zerstörte Häuser und Autos in von Schlamm überschwemmten Straßen zu sehen und Menschen, die sich auf die Dächer ihrer Fahrzeuge vor den Fluten retten und auf Hilfe warten.

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Von Mirco Keilberth

Ahmed Mohamed aus Derna sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon: "Wir haben geschlafen, und als wir aufgewacht sind, haben wir festgestellt, dass das Wasser das Haus eingeschlossen hat. Wir sind im Haus und versuchen, es zu verlassen."

In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. In dem ölreichen Staat ringen bis heute zahlreiche Milizen um Einfluss. Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen mit jeweils einem Sitz im Osten und im Westen um die Macht. In der westlichen Hauptstadt Tripolis spricht die mit Hammad konkurrierende Regierung unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren.

EU und Deutschland bieten Hilfe an - Türkei schickt Rettungsteams

Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Libyen, Georgette Gagnon, forderte die internationale Gemeinschaft zu schneller Hilfe auf. Ersten Berichten zufolge seien Dutzende Dörfer und Städte durch den Sturm schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, schrieb Gagnon auf X, ehemals Twitter.

Die EU sowie die Bundesregierung haben bereits ihre Hilfe angeboten. Man sei mit der libyschen Regierung sowie internationalen Organisationen in Kontakt, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Innerhalb der Bundesregierung stimmen wir aktuell ab, wie wir dem Ersuchen der libyschen Regierung um internationale Hilfe nachkommen können, insbesondere was die größten Bedarfe sind und wo wir gezielt Unterstützung leisten können", hieß es weiter. Der für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz zuständige EU-Kommissar Janez Lenarčič schrieb bei X (vormals Twitter), "Wir sind bereit, unsere Partner vor Ort umgehend zu unterstützen".

Die Türkei schickt drei Flugzeuge mit Rettungsmannschaften und humanitärer Hilfe. Das Team mit Mitgliedern der Gendarmerie (Jandarma) und der türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad werde aus 168 Personen, zwei Such- und Rettungsfahrzeugen und zwei Rettungsbooten bestehen, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über X mit. An Bord seien auch Hunderte Zelte, Generatoren, Lebensmittel, Hygieneartikel und Kleidung.

© SZ/dpa/Reuters/saul/zaa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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