Flutkatastrophe:Trinkwasserlage in Libyen alarmierend

Lesezeit: 2 min

Retter und Angehörige von Opfern errichten Zelte vor eingestürzten Gebäuden in Derna. Noch immer ist nicht absehbar, wie lange die Aufräumarbeiten noch dauern werden. (Foto: Muhammad J. Elalwany/dpa)

Nach den tödlichen Überschwemmungen versuchen Helfer, eine "zweite verheerende Krise" zu verhindern: Durch das verschmutzte Wasser breiten sich Krankheiten aus. Bei den Überlebenden wächst die Wut auf die Regierung.

Während Rettungsteams in der von Überschwemmungen zerstörten Hafenstadt Derna in Libyen wegen der prekären Trinkwasserversorgung Alarm schlagen, entlädt sich unter den verzweifelten Überlebenden Wut auf die politischen Eliten. Hunderte aufgebrachte Menschen forderten vor einer Moschee im Zentrum der verwüsteten Hafenstadt, dass die Verantwortlichen der Katastrophe zur Rechenschaft gezogen werden, wie Aufnahmen des libyschen TV-Senders Al-Masar am Montag zeigten.

In Folge des Sturms Daniel waren zwei Dämme in Derna gebrochen. Den Behörden wird vorgeworfen, diese nicht ordnungsgemäß instand gehalten und somit zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen zu haben. Der Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Laut Augenzeugen sollen Demonstranten versucht haben, das Haus des zur Zeit suspendierten Bürgermeisters Abdel-Moneim al-Gheithy in Brand zu setzen.

SZ PlusÜberschwemmungen in Libyen
:Keiner will Schuld haben

Wissenschaftler werfen libyschen Politikern vor, dass sie wussten, wie gefährlich die Situation im Derna-Tal ist. Doch nichts passierte. Nun warnen die UN vor Problemen an zwei weiteren Dämmen.

Von Bernd Dörries

Durch die schweren Überschwemmungen sind die Wasserquellen in der Katastrophenregion stark mit Abwässern verunreinigt. Tausende Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser mehr. Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) warnte eindringlich vor einer sich "rasch ausweitenden Gesundheitskrise", vor allem in Derna. Dutzende Kinder seien bereits wegen verschmutzten Wassers erkrankt, hieß es.

Auch die Vereinten Nationen zeigten sich besorgt über die Zustände im Osten des Bürgerkriegslandes. Insbesondere verunreinigtes Wasser und mangelnde sanitäre Einrichtungen erhöhten das Risiko von Krankheitsausbrüchen, hieß es in einer Erklärung von UNSMIL, der UN-Mission in Libyen. Teams der Vereinten Nationen arbeiteten daran, eine "zweite verheerende Krise in der Region" und die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Die EU sagte Libyen weitere 5,2 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zu. Auch die USA stellen weitere elf Millionen Dollar (etwa zehn Millionen Euro) bereit.

Im schwer getroffenen Teil Dernas lebten besonders viele Migranten

Von der Katastrophe sind auch viele Migranten betroffen. Vor den Überschwemmungen lebten Tausende von ihnen allein in Derna. Die UN-Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass die Zahl der Todesopfer unter den Migranten besonders hoch sein werde, da sie in sehr niedrig gelegenen Gebieten angesiedelt gewesen seien, wie die Organisation dem britischen Sender BBC mitteilte. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden bis Ende vergangener Woche etwa 4000 Todesopfer identifiziert. Die IOM geht davon aus, dass sich darunter allein etwa 400 Migranten befanden.

In Libyen halten sich Hunderttausende Migranten auf. Einige leben und arbeiten langfristig in dem nordafrikanischen Land, während es andere als Transitland nutzen, um nach Europa zu gelangen. Die IOM und die WHO geben die Zahl der bestätigten Todesfälle ähnlich hoch an. Die Regierung im betroffenen Osten Libyens bezifferte die Zahl der offiziell registrierten Toten mit Stand vom Montagabend auf 3338. Zehntausende von Menschen wurden durch die Katastrophe obdachlos.

Libyen ist faktisch zweigeteilt. Das Bürgerkriegsland hat im Westen eine Regierung, die international anerkannt ist. Im Osten, wo der Sturm Daniel besonders großen Schaden angerichtet hat, herrscht eine andere Regierung, die international nicht anerkannt ist. Die Teilung erschwert die Rettungseinsätze.

© SZ/dpa/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMigrationspolitik
:Nicht mehr willkommen

Wie ausgerechnet Dänemarks Sozialdemokraten die Asylkultur ihres Landes radikal umgekrempelt haben.

Von Alex Rühle

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: