Landeskriminalamt:Ermittler: Geldautomaten-Sprenger werden immer skrupelloser

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Völlig zerstört ist die Fassade und der Innenraum einer Volksbank-Filiale. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz betrachtet die steigende Zahl von Geldautomatensprengungen mit Sorge. Nach dem Rekordjahr 2022 geht den Trend weiter nach oben. Und die Attacken werden gefährlicher.

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Mainz/Maastricht (dpa/lrs) - Mehr Sprengstoff, mehr Schaden: Geldautomaten-Sprenger werden bei ihren Attacken immer skrupel- und rücksichtsloser. Das sagte der Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz, Bastian Kipping, in Mainz. Inzwischen werde in 80 bis 90 Prozent der Fälle Festsprengstoff eingesetzt. „Da ist der Schaden um ein wesentliches höher.“ Bisher habe es „zum Glück sehr wenig Personenschäden“ gegeben. „Aber das Risiko wird natürlich immer höher dafür“, sagte der Kriminalhauptkommissar des LKA.

In früheren Jahren hätten die Täter vor allem Gas zur Explosion von Geldautomaten benutzt - mit geringeren Schäden. Banken hätten sich gegen jene Angriffe gewehrt, indem sie Gasneutralisierungssysteme eingebaut hätten, erzählte Kipping. Das heißt: Eingeleitetes Gas wird automatisch neutralisiert, es kommt nicht zur Sprengung. Die Folge: Die Täter seien auf Festsprengstoff umgestiegen.

In diesem Jahr hat es laut Landeskriminalamt bereits 25 Angriffe auf Geldautomaten gegeben. Das sind vier mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, das mit insgesamt 56 Fällen als Rekordjahr gilt. „Wir beobachten die Entwicklung mit Sorge“, sagte Kipping.

Der im laufenden Jahr verursachte Schaden belaufe sich (bis 22. Mai) auf insgesamt fast 2,8 Millionen Euro, teilte Innenminister Michael Ebling (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion mit. Die Schadenserhebungen seien teils noch nicht abgeschlossen.

Laut LKA dauern die nächtlichen Sprengungen nur wenige Minuten. Anschließend rasten die Täter in hochmotorisierten Autos auch über Landesgrenzen davon. „Sie fahren mit (Tempo) 240 aufwärts“. Teils führen Fluchtrouten nach Taten im angrenzenden Saarland auch durch Rheinland-Pfalz.

Das LKA beobachte aus anderen europäischen Ländern, dass Farbpatronen in Automaten Täter ausbremsten. Kommt es zu einer Sprengung, wird das Geld dabei eingefärbt und ist für die Täter unbrauchbar. Bisher gebe es solche Farbpatronen nur vereinzelt in deutschen Bankautomaten. Allerdings sei die Dichte an Automaten mit rund 60.000 bundesweit viel höher als anderswo. „Die Deutschen lieben ihr Bargeld.“ In anderen Ländern werde viel mehr mit Karte bezahlt, sagte Kipping.

Die Ermittler würden Banken „einen Methoden-Mix“ empfehlen: Neben Farbe gehörten Nebelsysteme und Nachtschließzeiten dazu. Zudem werde „an risikohaften Orten“ wie in der Nähe von Autobahnen auch zur Schließung geraten. Einige Geldinstitute haben Geldausgaben bereits zeitlich eingeschränkt. Zudem gibt es Stilllegungen von Automaten.

Strafrechtler Robin Hofmann von der Universität Maastricht sieht die Banken in der Pflicht. Solange diese die Automaten nicht ausreichend sicherten, werde das Kriminalitätsphänomen bestehen bleiben. „Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis Menschen ernsthaft zu Schaden kommen“, sagte der Kriminologe mit einem Forschungsschwerpunkt auf grenzüberschreitender Strafverfolgung.

Solange Banken nicht nachbesserten, werde auch die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit „nur schleppend“ vorankommen, sagte er. „Die niederländischen Behörden sehen schlicht nicht ein, warum sie Ressourcen in die Strafverfolgung stecken sollten, wenn die deutschen Banken kaum bereit sind, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.“

In den Niederlanden seien Geldautomaten flächendeckend mit Farbplomben oder Klebepatronen gegen Angriffe gesichert. Die Zahl der Sprengungen liege seitdem landesweit bei weniger als ein Dutzend pro Jahr. In den Niederlanden ist die Dichte an Geldautomaten deutlich geringer als in Deutschland. Eine Nachrüstung ist teuer.

Viele der mutmaßlichen Täter kommen nach Erkenntnis des LKA aus den Niederlanden. Für die deutschen Strafverfolgungsbehörden sei die Verfolgung kompliziert, da man auf die Hilfe der Niederländer angewiesen sei, sagte Professor Hofmann. „Das klappt nicht immer reibungslos, weil die niederländische Polizei schlicht andere Prioritäten hat.“

Bislang elf Personen sind laut Ebling im laufenden Jahr in Rheinland-Pfalz wegen Sprengungen von Geldautomaten verurteilt worden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien vier Urteile rechtskräftig. Der LKA-Sprecher sagte, es komme immer wieder zu weiteren Festnahmen. „Man muss allerdings zugeben, dass wir uns dadurch mehr Abschreckung erhofft hätten, die allerdings nicht einsetzt. Dafür ist es anscheinend zu lukrativ und zu gut organisiert.“

© dpa-infocom, dpa:230610-99-05648/3

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