Verwechslungen:Sind Sie nicht der ...?

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Ein typischer Banksy: eine Möwe im Anflug auf Müll. Nur: Wer ist Banksy eigentlich wirklich? (Foto: Justin Tallis/AFP)

Ein Lokalpolitiker wird für Banksy gehalten, Draco Malfoy für Ryan Gosling. Über die stetig steigende Verwechslungsgefahr.

Von Marcel Laskus

Mit Prominenten verwechselt zu werden, stellt man sich als jemand, dem das noch nie passiert ist, recht aufregend vor. Fremde Leute wollen Selfies mit einem machen, man bekommt ungefragt den Tisch mit Aussicht zugewiesen und vielleicht den einen oder anderen interessierten Instagram-Follower mehr. Doch was sich als Nicht-Betroffener leicht verklären lässt, ist auch bei diesem Thema in der Realität mal wieder etwas komplizierter. Für den Waliser William Gannon ist die ihm nachgesagte Nähe zu einem Promi eine Last geworden. Eine so große Last sogar, dass er von seinem Amt als Stadtrat zurückgetreten ist.

Eine große Zahl von Menschen hält ihn nämlich für Banksy. Jenen Künstler, der mit Street-Art-Motiven von Blümchen, die in Flinten stecken, berühmt geworden ist, der seine wahre Identität aber eisern schützt. Was für ein Mensch hinter der Künstlerfigur steckt, weiß so gut wie niemand. Vermutet wurde schon der Leipziger Maler Maître de Casson, eine Frau, ein ganzes Kollektiv - und seit einigen Jahren eben auch der nicht nach Berühmtheit strebende William Gannon aus Wales. Er wurde durch diese Zuschreibung so sehr mit Anfragen und Nachrichten überhäuft, dass er offenbar kaum noch seiner Arbeit als Berufspolitiker nachkommen konnte. "Die Menschen wollen, dass ich ihnen beweise, was für eine Person ich nicht bin", klagte er kürzlich in der BBC. "Das zu machen, ist fast unmöglich."

Warum es so weit kommen musste? Vermutlich, weil der Mensch eben wissen will, welcher Schöpfer hinter einer Schöpfung steht. Lokalpolitiker Gannon, der mit kantiger Brille und Glatze nicht besonders exzentrisch aussieht, sträubte sich gegen die Zuschreibung, Banksy zu sein, und steckte sich in seiner Verzweiflung sogar einen Anstecker an den Kragen. Auf dem stand: "Ich bin nicht Banksy". Es half nichts.

Einmal berühmt, immer berühmt - das ist das Insta-Zeitalter

Irritierend mag das sein, und doch ist nur logisch, dass so etwas ausgerechnet in diesen Zeiten passiert, in denen die Zahl der Personen des öffentlichen Lebens stetig steigt. Während man vor ein paar Jahrzehnten nur dann als prominent galt, wenn man regelmäßig im Fernsehen zu sehen war, ist eine Definition heute deutlich schwerer. Youtube- und Instagram-Profile finden immer ihre Fans, und wer einmal prominent war, der bleibt es irgendwie für immer. Andere scheuen die Öffentlichkeit und sind doch omnipräsent: Man schaue zu Banksy, aber auch zu Elena Ferrante. Wie soll man da den Überblick bewahren?

Wohin die Promi-Inflation führen kann, sah man erst kürzlich beim Formel-1-Rennen in Miami. Vor dem Rennen findet üblicherweise der "Grid Walk" statt, bei dem Reporterinnen und Reporter durch die Startformation der Fahrzeuge laufen und mit Prominenten sprechen. Der britische TV-Kommentator Martin Brundle ist eigentlich ein Veteran in dieser Disziplin, und doch stößt auch er mittlerweile an seine Grenzen. In der Hektik glaubte er, NFL-Quarterback Patrick Mahomes vor sich stehen zu haben. Der angebliche Mahomes wirkte verblüfft, dass man sich für ihn interessierte, und gab dem Reporter vielleicht auch deshalb umso freundlicher Antwort auf seine Fragen. Erst ein paar Momente später fiel dem TV-Kommentator auf, dass das da vor ihm kein Quarterback ist - sondern Paolo Banchero, ein College-Basketballer.

Tom Felton spielte in den "Harry Potter"-Filmen den Bösewicht Draco Malfoy. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Ebenfalls erst vor wenigen Tages passierte Ähnliches dem Schauspieler Tom Felton, der in seiner Rolle als Draco Malfoy in den Harry-Potter-Filmen weltweit bekannt wurde. Felton erzählte dem Evening Standard, wie er kürzlich einmal an der Kasse einer McDonald's-Filiale angestanden habe, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte. "Sind Sie...", habe die fremde Frau zu ihm gesagt, und Felton habe ihr schon fast ins Wort fallen wollen: "Ja, der bin ich." Aber die Frau kam ihm zuvor: "Sind Sie Ryan Gosling?" Der mittlerweile 34-jährige ehemalige Kinderstar ist offensichtlich aus seiner Rolle herausgewachsen, was er selbst nur praktisch findet. Selbst in der Londoner U-Bahn, sagte er, werde er selten erkannt.

... und das sein kanadischer Kollege Ryan Gosling. Heimliche Zwillinge? Nun ja! (Foto: Mike Nelson/dpa)

Dem Waliser William Gannon helfen solche Anekdoten nur wenig. Die Lösung seines Problems liegt ja nicht im Alter und auch nicht in seinem Äußeren, sondern in der Hand einer einzigen Person. Wer auch immer der echte Banksy ist: Er oder sie müsste, natürlich notariell beurkundet und eidesstattlich erklärend, endlich nach vorne treten. Bei Instagram, beim Anbringen seines neuesten Werkes oder in einem TV-Interview. Man wüsste dann endlich, ob diese Kunstfigur ein Mann ist oder eben eine Frau. Ob er britischen Akzent spricht oder amerikanischen. Und ob er vielleicht doch eine Glatze hat und der Irrtum gar kein Irrtum war.

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