Potsdam:Gutachterin: Angeklagte während Gewalttat wie „im Vakuum“

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Die Angeklagte sitzt zum Prozessauftakt im Gerichtssaal im Landgericht Potsdam. (Foto: Carsten Koall/dpa-Pool/dpa/Archivbild)

Gewaltfantasien und Suizidgedanken - ihr Leben lang: Im Prozess um die Tötung von vier Bewohnern eines Potsdamer Wohnheims für Menschen mit Behinderung stand am...

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Potsdam (dpa/bb) - Gewaltfantasien und Suizidgedanken - ihr Leben lang: Im Prozess um die Tötung von vier Bewohnern eines Potsdamer Wohnheims für Menschen mit Behinderung stand am Donnerstag die Psyche der Angeklagten im Mittelpunkt. „Die Tat steht im Zusammenhang mit ihrer psychischen Störung“, so Gerichtspsychiaterin Cornelia Mikolaiczyk im Landgericht Potsdam.

Aus Sicht der Gutachterin hatte die Angeklagte die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen. „Die Steuerungsfähigkeit war erheblich heruntergefahren - aber nicht aufgehoben.“ Anders als bei einer Schuldunfähigkeit, bei der der Täter nicht bestraft werden kann, kann die Strafe hier nur milder ausfallen. Die Einschätzung der Gutachterin ist für das Urteil daher wichtig.

Die ehemalige Pflegekraft, die viele Jahre in der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg arbeitete, ist wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Sie soll im April vier wehrlose Bewohner im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit einem Messer auf ihren Zimmern getötet haben. Eine 43 Jahre alte Bewohnerin überlebte nach einer Notoperation.

Nach Angaben der Gutachterin soll die 52-jährige Deutsche schon zuvor eine Bewohnerin habe töten wollen. Die Psychiaterin hatte mehrmals in der psychiatrischen Klinik, in der die Angeklagte nach ihrer Festnahme untergebracht worden ist, mit ihr gesprochen. Die 52-Jährige habe mitgeteilt, dass sie eine Woche vor der Tat im April eine Bewohnerin mit Medikamenten habe vergiften wollen. Sie habe schon mehrfach Gewaltfantasien gegenüber anderen Menschen gehabt; so habe sie bereits 2012 während eines Klinikaufenthalts angegeben, sie habe davon geträumt, Bewohner der Einrichtung umzubringen. Davon sollen sie damals Medikamente abgehalten haben. Auch gegenüber ihrem Sohn und ihrer Mutter habe sie Gewaltfantasien gehabt.

Die Angeklagte habe zunächst keine Reue gezeigt, habe sich auch auf Anraten ihres Anwalts nicht für die Tat entschuldigen wollen, so die Gutachterin. Zwischendurch habe sie ihr gegenüber einmal gesagt, dass es ihr leid tue. Während ihres Klinikaufenthalts soll sie sich selbst verletzt haben. Auch habe sie Pflegepersonal angegriffen. Die Gutachterin sagte, die Angeklagte sei stark selbstmordgefährdet.

Die 52-Jährige soll gesagt haben, dass sie sich während der Tat wie in einem „Vakuum“ befunden habe; ein leerer Raum. Wie in einem Luftballon. Nichts mehr gesehen, nichts mehr gehört, schilderte die Gutachterin die Worte der Angeklagten. Sie habe die Tat nicht geplant. Die 52-Jährige hat sich im Prozess bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Auslöser dafür, dass sie mit einem Messer auf die Bewohner losgegangen sei, sei das Lachen eines Bewohners gewesen, nachdem sie versucht habe, ihn zu erwürgen und ihr dies nicht gelang. Laut der Gutachterin habe die Angeklagte gesagt, er habe „die Frechheit besessen, noch zu leben“.

© dpa-infocom, dpa:211215-99-397496/6

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