Kiel:Prozess um tödliche Brandstiftung: Geständnis widerrufen

Lesezeit: 2 min

Die Aufschrift „Landgericht“ an einem Briefkasten am Eingang des Landgerichts. (Foto: Markus Scholz/dpa/Archiv)

Der Augenzeuge ist noch immer erschüttert. Er senkt den Kopf und holt tief Luft. Dann schildert er vor dem Kieler Landgericht, wie er von verzweifelten Rufen...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel/Neumünster (dpa/lno) - Der Augenzeuge ist noch immer erschüttert. Er senkt den Kopf und holt tief Luft. Dann schildert er vor dem Kieler Landgericht, wie er von verzweifelten Rufen und Schreien „Lasst mich hier raus! Ich bin eingeschlossen!“ wach wird. Von seinem Balkon aus sieht er das brennende Dachgeschoss im gegenüberliegenden Mehrfamilienhaus in Neumünster und die schreckliche Szene: „Ich sah einen Menschen im Fensterkreuz stehen - hinter ihm das vom Feuerschein hellerleuchtete Haus,“ sagt der Rentner. „Er rief Hilfe! Hilfe! Hilfe“. Dann fügt er nach einer Pause hinzu: „Ich habe gesehen, wie er gesprungen ist“.

Seit Freitag versucht das Schwurgericht, den Brand mit zwei Toten und mehreren Verletzten in der Nacht zum 10. März aufzuklären. Gleich zu Beginn des sogenannten Sicherungsverfahrens gibt es dabei eine Überraschung: Der der Tat Beschuldigte lässt durch seinen Verteidiger ein Geständnis widerrufen. Der Mann gilt als psychisch krank und wahrscheinlich schuldunfähig. Ihm droht die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie.

Sein Mandant habe die Tat unter Drogeneinfluss gestanden, sagt Verteidiger Achim Lüdeke. Der 32-Jährige sei dabei wegen Aufputschmitteln „nicht klar bei Verstand gewesen“. Er habe sich „nur aus Geltungssucht“ bezichtigt. Der Anwalt widersprach der Verwertung des „drogenindizierten Geständnisses“, das der Beschuldigte kurz nach der Tat bei der Polizei abgab. Er habe es „widerrufen, als er aus seinem Wahngebäude erwachte“.

Sein Mandant selbst schweigt und kaut unablässig Kaugummi - bis auf den Moment, in dem der Augenzeuge den Todessturz schildert. Da wirkt auch er tief betroffen. Der 32-Jährige war in Hand- und Fußfesseln in den Sitzungssaal geführt worden.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten unter anderem zweifachen „heimtückischen Mord mit gemeingefährlichen Mitteln“ sowie mehrfachen Mordversuch und schwere Brandstiftung zur Last. Bei dem Feuer Anfang März waren in dem mehrgeschossigen Wohnhaus zwei Menschen ums Leben gekommen, zwei weitere wurden verletzt. Das Haus wurde unbewohnbar und inzwischen abgerissen.

Der 32-Jährige habe die Tat nach einem Streit verübt, sagt die Staatsanwältin. Anfangs sei man zu dritt in der Wohnung im Dachgeschoss gewesen, habe getrunken, dann sei eine Freundin gegangen. Danach habe der Beschuldigte den anderen Mann in dessen Zimmer eingeschlossen und die Tür „auf bisher unbekannte Weise in Brand gesteckt, um ihn zu töten“. Im Nu habe das gesamte Dach lichterloh in Flammen gestanden. Das eine Opfer sei in Panik aus dem Fenster in den Hinterhof und damit in den Tod gesprungen. Ein weiteres Opfer verbrennt demnach in seinem Zimmer.

Als sich der Beschuldigte nach der Tat stellt und wegen seines Zustandes in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses kommt, wirkt er auf Polizeizeugen nach deren Aussagen verwirrt, verängstigt und verstört. Er gibt auch an Stimmen zu hören, die ihm befohlen hätten, „das“ zu tun. Als ihn eine Fachärztin fragt: „Die Brandstiftung?“, antwortete er demnach mit einem „Ja“.

Das Schwurgericht unter Vorsitz von Jörg Bromman will an vier Tagen bis zum 9. Oktober verhandeln. Dann könnte das Urteil fallen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: