Hanau:Notruf-Mängel sollen lange bekannt gewesen sein

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Nancy Faeser (SPD), Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Die Mängel beim Hanauer Polizei-Notruf 110 sollen bereits lange vor dem rassistischen Anschlag mit neun Toten bekannt gewesen sein und auch zu Beschwerden...

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Hanau/Wiesbaden (dpa/lhe) - Die Mängel beim Hanauer Polizei-Notruf 110 sollen bereits lange vor dem rassistischen Anschlag mit neun Toten bekannt gewesen sein und auch zu Beschwerden geführt haben. Das geht aus einem Papier der Hanauer Staatsanwaltschaft hervor, die Vorermittlungen zu dem Notruf geführt hatte. Die SPD-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Nancy Faeser, sprach am Freitag von „skandalösen“ Erkenntnissen.

Am 19. Februar vergangenen Jahres hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Anlass für die Prüfung der Staatsanwaltschaft Hanau war eine Anzeige des Vaters des Anschlagsopfers Vili Viorel Păun. Der 22-Jährige hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf gewählt. Kurz darauf war er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden.

In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft Hanau in einer 24-seitigen Pressemitteilung über ihre Prüfung informiert. Die nun an die Öffentlichkeit gelangten Passagen, die von mehreren Medien aufgegriffenen wurden, waren darin jedoch nicht enthalten gewesen - mit dem Hinweis, es handele sich um „interne Vorgänge“. „Offensichtlich haben das Innenministerium und die Polizeiführung versucht, die besonders kritischen Stellen aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft unter Verschluss zu halten“, erklärte Faeser. „Das ist mindestens ebenso skandalös wie der Inhalt der nun bekannt gewordenen Textstellen: Wieso hat sich jahrelang niemand darum geschert, dass der Polizeinotruf in Hanau den Anforderungen offenkundig nicht gewachsen war?“

Die Staatsanwaltschaft Hanau hatte ein Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen der Nichterreichbarkeit des Notrufs abgelehnt. Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von Angehörigen der Hanauer Polizeistation sei nicht festgestellt worden, hatte die Behörde vergangene Woche mitgeteilt.

Dem Papier der Behörde zufolge waren nach dem Jahr 2001 bei der Polizeistation Hanau I im Rahmen einer Neuorganisation zunächst nur eine und später zwei Notrufabfragestellen installiert worden. Bereits kurz nach der Neuorganisation sei es zu ersten internen Beschwerden gekommen, die sich in den Folgejahren in ähnlicher Form mehrfach wiederholt hätten, hieß es. Vereinzelt habe es auch Bürgerbeschwerden gegeben.

Konkret hätten mehrere Angehörige der Hanauer Polizeistation beanstandet, dass die räumlichen und personellen Verhältnisse in der Wache zur Abarbeitung der Notrufe nicht ausreiche. Die Personalsituation habe es zudem nicht erlaubt, fest einen zweiten Wachhabenden in der Wache der Polizeistation vorzusehen. Verbesserungen wurden demnach nicht nur von Hanauer Polizisten, sondern auch vom Polizeipräsidium Südosthessen beim Landespolizeipräsidium sowie beim früheren Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung angemahnt, doch sei dem nicht entsprochen worden.

In dem Papier wird auch ein Schreiben der Dienststellenleitung der Polizeistation Hanau I vom 29. Januar 2019 an das Polizeipräsidium Südosthessen zitiert, in dem auf die Probleme aufmerksam gemacht wird: „Nicht selten klingeln beide Notrufapparate gleichzeitig, es stehen Funkgespräche an und im Foyer stehen mehrere Besucher vor einer leeren Loge. Wenn dann noch im Gewahrsam ein Insasse klingelt, weil er beispielsweise auf Toilette muss, ist das Chaos perfekt.“

© dpa-infocom, dpa:210716-99-409971/2

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